Diese Kritik enthält Spoiler! You have been warned!
Warum brauchen die Frauen überhaupt noch einen Weltfrauentag? Sie haben doch alles. Sie können sich frei entscheiden, wie sie ihr Leben leben möchten. Dieser Prämisse folgend ist die Protagonistin von Laura Wades Theaterstück HOME, I’M DARLING Judy (Katherine Parkinson) eben genau in dieser großartigen Lage. Sie kann sich frei entscheiden. Und sie entscheidet sich Hausfrau zu werden und – ganz wie in den Fünfzigern – ihren Mann Johnny (Richard Harrington) zu umsorgen. Wenn er aufsteht, ist das Frühstück bereits gemacht. Wenn er von der Arbeit nachhause kommt, steht bereits ein Cocktail bereit, die Zeitung ist nur einen Armgriff entfernt und das Abendessen ist natürlich auch schon zubereitet. Doch drei Jahre nachdem sich Judy für die 50er Jahre entschieden hat, ist die Luft so langsam raus. Die neue Chefin von Johnny, Alex (Sara Gregory), scheint ihm offenbar zu gefallen und Judy versucht ihre Ehe zu retten ohne dabei die klassische Rollenverteilung aufzugeben. Auch ihre Mutter Sylvia (Susan Brown) stellt die Fifties-Manie zunehmend infrage und versucht ihr ins Gewissen zu reden.
Kluge Erzählweise
Die Narration des Stücks ist wahnsinnig gut. Aus dem Programm und der Inhaltszusammenfassung ist nicht ersichtlich, dass das Stück in der Jetztzeit spielt. Das zweistöckige Haus im 50er-Jahre-Stil zusammen mit den Kostümen und dem Verhalten der Figuren lässt zunächst darauf schließen, dass die Handlung tatsächlich in den 50ern spielt. Doch immer wieder gibt es Momente der Irritation. So versteckt Judy in der Tischschublade einen Apple-Laptop. Damit geht sie ins Internet um auf eBay Vintage-Klamotten zu kaufen, sagt sie später an anderer Stelle. Ansonsten verbringt sie die meiste Zeit zuhause. Das puppenhausartige Bühnenbild und die Kostüme der in München geborenen Anna Fleischle wurden nicht ohne Grund für zwei Olivier Awards nominiert. Die quietschbunte Tapete, der als Ananas getarnte Eiskühler, alte Radios, schicke bis pompöse Kleider – die vielen Details machen die Illusion für den Zuschauer erst perfekt.
Nostalgie und Realitätsverlust
Zwischen Nostalgie und Realitätsverlust ist es ein schmaler Grad. Ohne die Fünfziger könne sie nicht mehr leben, sagt Judy. Ihre Mutter Sylvia versucht sie aus dieser Flucht in die Nostalgie zu bewahren und erklärt: „The ’50s didn’t even look like this in the ’50s. They were terrible.“ Ihrer Tochter wirft sie vor, sich aus den 50ern nur die rosigen Aspekte herauszupicken und anderes auszublenden. Die Fünfziger seien auch im Bezug auf die Rechte der Frauen furchtbar gewesen. Judy wendet hingegen ein, dass sie als moderne Frau auch die Möglichkeit habe, zuhause zu bleiben und für ihren Mann zu sorgen. HOME, I’M DARLING ist inhaltlich vielschichtig. Die Rolle der Frau ebenso wie die Verklärung der Vergangenheit sind der rote Faden des Stücks. Da steht und fällt auch vieles mit den Schauspielern. Das Ensemble um THE IT CROWD-Star Katherine Parkinson ist wahnsinnig gut ausgewählt. Man merkt, dass Parkinson die Rolle auf den Leib geschrieben bekam. Sie schafft es die innere Zerrissenheit ihrer Figur hinter einem strahlenden Lächeln zu verstecken und gleichzeitig sichtbar zu machen. Auch wenn das Stück über zwei Stunden – einschließlich Pause – geht, kommt nie Langeweile auf. Allerdings kommt das Stück wohl am besten im ersten Stock zur Geltung. Auch wenn der meiste Teil der Handlung unten im Wohnzimmer und der Küche stattfindet, macht es doch aus optischen Gründen mehr Sinn auch das Obergeschoss im Blick zu haben.
Gesehen am 5. März 2019 im The Duke of York’s Theatre in London
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