Wenn sich einer mit Monumentalfilm auskennt, dann ja wohl Ridley Scott. Sein Film GLADIATOR leitete oscargekrönt ein kurzes Revival des Genres ein. Zumindest sollte man das meinen, den die Bibelverfilmung, die er seinem Bruder Tony widmete, hat weder Zauber noch Charme. Daher ist es auch unbegreiflich, das die Deutsche Film- und Medienbewertung den Film auch noch mit dem „Prädikant besonders wertvoll“ ausgezeichnet hat. Interessant ist allerdings der letzte Satz der Jurybegründung: → „Inhaltlich kann man sicher darüber streiten, doch gestalterisch ist EXODUS unbestritten ganz auf der Höhe der Zeit.“ Heißt im Klartext: Optik top, Inhalt flop. Warum man bei einem solch ambivalenten Juryurteil ein solches Prädikat vergibt, ist äußerst schleierhaft. Scotts neuster Film beleuchtet das Verhältnis der Prinzen Ramses (Joel Edgerton) und Moses (Christian Bale), die beide in der Obhut des Pharaos Sethos (John Turturro) aufwachsen. Sethos macht keinen Hehl daraus, das er Moses für den besseren Anführer hält, aber aufgrund der Erbfolge ist bereits ausgemacht, das Ramses irgendwann die Staatsgeschäfte Ägyptens leiten wird. Bei dem Besuch der Sklaven trifft Moses auf den Weisen Nun (Ben Kingsley), der ihm erzählt, er sei Hebräer und einst von der Prinzessin im Nil gefunden worden. Der Pharao stirbt kurz darauf und Ramses erbt den Thron. Das Geheimnis um Moses‘ Verwandtschaftsverhältnisse kommt heraus und Moses wird von seinem Bruder verbannt. In der Verbannung lernt er seine Frau Zippora (María Valverde) kennen und lieben. Doch neun Jahre später beruft ihn Gott und befiehlt ihm gegen Ramses in den Krieg zu ziehen um die Israeliten aus der Versklavung zu befreien.
Bibelheld mit Legitimationsproblem
Bereits im Vorfeld hatte der Film für Negativ-Schlagzeilen gesorgt, da die Besetzung in der Kritik stand. Für die herrschende Klasse wurden hauptsächlich hellhäutige Schauspieler gecastet, während die Sklaven und sonstige Unterschicht hauptsächlich von dunkelhäutigen Darstellern verkörpert wurden. Eine Petition rief deshalb sogar zum Boykott des Films auf. Scott rechtfertigte die Wahl damit, das Ägypten auch schon damals ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen gewesen sei. Der Film erhält in Sachen Empathie eine glatte Sechs. Das Einfühlen in die Figuren findet quasi nicht statt, was hauptsächlich daran liegt, dass der Film nicht mit Moses‘ Rettung durch die Tochter des Pharaos beginnt – eine Szene, die durchaus das Mitgefühl anspricht – und stattdessen Moses‘ Leben im Palast mit all seinen Vorzügen in den Vordergrund rückt, was den Zuschauer ins Grübeln bringt, warum man sich mit dem verwöhnten Schnösel auseinandersetzen muss. Aber nicht nur die Verbindung zum Zuschauer wird nicht geschafft, auch untereinander wirken die Figuren eindimensional. Es wird kein Raum gelassen für Fragen oder Zweifel. Moses erfährt, dass er ein Hebräer ist. Moses‘ Reaktion: „Aha, okay, danke für die Info.“ Moses erfährt, das er verbannt wird. „Aha, kein Ding, tschüsschen.“ Moses lernt seinen Bruder kennen. „Gut zu wissen.“ Moses wird von Gott besucht. „Ich soll in den Krieg ziehen und mein Leben aufs Spiel setzen, ja natürlich, gern.“ Und so funktioniert der ganze Film und alle Charaktere, die darin mitspielen. Alle Figuren haben ein permanentes Motivations- und Legitimationsproblem. Der Grund ihres Handelns bleibt im Unklaren.
Gut gelungen ist allerdings der 3D-Effekt, welcher der Landschaft und Umgebung mehr Tiefe geben. Der Film zeigt außerdem was es bedeutet, wenn ein komplettes Volk auf der Flucht ist. Angesichts der heutigen Flüchtlingsströme hat der Filme leider traurige Aktualität und zeigt auf, was es wirklich heißt, auf der Flucht und verfolgt zu sein. Auch Aussagen von einem weltfremden Glauben (im Film ist das Christentum damit gemeint), der nur in Fanatismus und Aufruhr münde, ist dank ISIS und anderer militant-religiöser Terrorgruppen permanent in den Nachrichten. Allerdings streift der Film diese Themenkomplexe zu schnell anstatt mögliche Antworten zu geben oder diese zumindest stärker zu entfalten. Gelungen ist auch die filmische Inszenierung der zehn Plagen, die Ramses und seine Ägypter aufgrund seiner Uneinsichtigkeit ertragen müssen. Obwohl natürlich auch mit Visual Effects gearbeitet wurde, waren beispielsweise 400 echte Frösche beim Dreh im Einsatz um die zweite Plage möglichst realistisch umzusetzen.
Die Darstellung Gottes wird in EXODUS ausgelagert. Ridley Scott verzichtet auf einen sprechenden brennenden Strauch und inszeniert Gott als kleinen Jungen. Malak wird in der deutschen Sychronisation von Maximilian Ehrenreich gesprochen und das unglaublich schlecht. Er spricht völlig affektiert und übertrieben deutlich und macht aus dem gütigen und beschützenden Gottvater einen arroganten wie machthungrigen Gott. Leider ist der Rest der Handlung von EXODUS unschlüssig wie realitätsfern. Die Israeliten nehmen sich alle Zeit der Welt um sich für den Kampf vorzubereiten und zu trainieren, obwohl Ramses zeitgleich im Zorn immer mehr israelitische Familien umbringen lässt. Zudem kommt Moses extra in den Palast um Ramses vor der letzten Plage, dem Tod der Erstgeborenen, zu warnen, aber ohne ihm genau zu sagen, was passieren wird, was die Frage aufwirft, warum er dann überhaupt dort auftaucht. Die Wahrscheinlichkeit ist viel höher, das Ramses ihn töten lässt. Insgesamt ist EXODUS ein visuell ansprechender Film, der allerdings keinen Wert auf Handlung, eine glaubhafte Interaktion zwischen den Charakteren noch bibelgetreue Genauigkeit legt.
Dann doch lieber Bibelstunde (2/6)
© 20th Century Fox Deutschland
Naja, ganz so hart sehe ich das nun nicht. Aber den Kern triffst du definitiv. Empathiemäßig war ich zugegebenermaßen wenig betroffen, allerdings sind die Schatten der Last, die Ramses als ungeliebter Sohn mitsichträgt doch mitunter deutlich zu sehen. Hätte ich gerne stärker ausgeführt gesehen, aber es war da.
Insgesamt fand ich den Film auch sehr unglücklich zusammengeschnitten, hoffe da auf eine durchaus stringentere Extended Fassung. Die könnte durchaus was reißen.