The Daughter (2015)

Anfang des Jahres hatte ich irgendwie eine Simon-Stone-Phase. Erst YERMA, dann THE DIG und durch Zufall hatte ich entdeckt, dass DIE WILDENTE (OT: THE DAUGHTER) für ein paar Tage in der Mediathek der Schaubühne Berlin als OmU-Version eingepflegt ist. Das „musste“ ich mir natürlich auch anschauen. Die Geschichte handelt von Christian (Paul Schneider), der in seine Heimatstadt zurückkehrt, weil sein Vater Henry (Geoffry Rush) die viel jüngere Anna (Anna Tory) heiraten möchte. Christian trifft auch auf seinen alten Freund Oliver (Ewen Leslie). Der hat inzwischen eine kleine Familie und lebt mit seiner Frau Charlotte (Mirando Otto), Tochter Hedvig (Odessa Young) und seinem Vater Walter (Sam Neill) in einem kleinen Haus am Waldrand. Dabei kommt Christian einem alten Familiengeheimnis auf die Spur, das schwerwiegende Folgen für alle Beteiligten hat.

Szenenbild aus THE DAUGHTER - DIE WILDENTE -  Christian (Paul Schneider) und sein Vater Henry (Geoffry Rush) - © Arsenal Filmverleih
Christian (Paul Schneider) und sein Vater Henry (Geoffry Rush) – © Arsenal Filmverleih

Gemächliches Erzähltempo

Es dauert dann doch eine ganze Weile bis THE DAUGHTER seine ganze Kraft ausspielen kann. Sorgsam werden alle Schichten, alle persönlichen Beziehungen und Geheimnisse gemächlich entblättert. Diese behutsame Art Geschichten zu erzählen, wird nicht jeder mögen. Ich mochte es aber sehr, weil dadurch das große Finale umso wuchtiger nachhallt. Wichtig ist jedoch, dass der Zuschauer oder die Zuschauerin mitdenkt. Vieles bleibt nämlich unausgesprochen. Kommuniziert wird viel mit Mimik und Gesten. THE DAUGHTER ist auch ein Ensemblefilm. Somit steht und fällt alles mit dem Cast. Doch über die Schauspielenden lässt sich aber schwer ein schlechtes Wort verlieren. Selbst die kleinsten Nebenrollen sind perfekt gecastet und das Zusammenspiel ist ebenfalls sehr sehenswert.

Szenenbild aus DIE WILDENTE - THE DAUGTHER (2015) - Auch Charlotte (Miranda Otto) hat ein Geheimnis. - © Arsenal Filmverleih
Auch Charlotte (Miranda Otto) hat ein Geheimnis. – © Arsenal Filmverleih

Ibsen’sche Neuinterpretation

Obwohl der Film in der deutschen Übersetzung DIE WILDENTE heißt, hat er nur wenig mit dem gleichnamigen Theaterstück von Hendrik Ibsen zu tun, auch wenn sich Simon Stone durchaus bei den Motiven des Stücks bedient. Der Originaltitel beschreibt auch besser, worum es geht: die Tochter Hedvig, verletzlich und rebellisch, von Odessa Young verkörpert. Stone adaptiert und interpretiert ja gerne mal alte Stoffe neu. Wiederkehrendes Muster im Simon-Stone-Stilmittel-Repertoire ist das Überlagern von Ton und Bild. Auf der Tonebene hört man noch jemanden reden, die Bilder sind aber schon an einem anderen Ort, bei anderen Charakteren, was dem ganzen Film eine sehr fließende Textur verleiht.

9/10

Bewertung: 9 von 10.
Trailer: © Arsenalfilm

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