Nachdem mich neulich ja schon ein Kollege zum Schauen von TRIBES OF EUROPA genötigt hat, haben jetzt zwei übereifrige Kolleginnen nachgezogen. Ich müsse mir unbedingt BEFOREIGNERS anschauen und mich dazu äußern, haben sie gesagt. Bei dieser Serie handelt es sich um eine HBO-Produktion, was schonmal grundsätzlich gut klingt, und auch die Geschichte ist ungewöhnlich. Überall auf der Welt tauchen Menschen aus drei Zeitperioden im Meer auf. Niemand kann sich erklären, wieso Steinzeitmenschen, Wikinger und Menschen aus dem späten 19. Jahrhundert plötzlich in der Gegenwart auftauchen. Diese sogenannten „Beforeigners“ haben keine Erinnerung daran, wie sie in die Gegenwart gekommen sind. Einige Jahre nach den ersten Ankömmlingen wird Alfhildr (Krista Kosonen), die aus der Wikingerzeit stammt, im Rahmen des Integrationsprogramms der Polizei mit dem ausgebrannten Polizisten Lars Haaland (Nicolai Cleve Broch) zusammengebracht. Lars und Alfhildr untersuchen den Mord an einer Frau mit steinzeitlichen Tätowierungen und machen unerwartete Entdeckungen.
Charakterentwicklung oder Worldbuilding
Eine erste Serienstaffel kann man als Showrunner auf zwei Arten umsetzen: entweder man fokussiert sich auf die Figuren und hebt sich das Worldbuilding für die 2. Staffel auf oder umgekehrt. Leider vermischt BEFOREIGNERS beides. Das tut der Serie allerdings nicht besonders gut. Die Staffel besteht nämlich nur aus sechs Folgen, die dadurch etwas überladen wirken. Zudem wird sowohl auf der Bildebene als auch auf der Tonebene ordentlich Recycling betrieben. Soll heißen, Musikstücke und Motive, die bereits in anderen Episoden aufgetaucht sind, wie die Pfeife rauchende Wikingerlady oder der auf dem Baum hockende, essende Steinzeitmensch, bekommt man immer wieder in den gleichen Einstellungen zu sehen. Das macht diese Zwischenschnitte etwas eintönig.
Starke Frauen und schwache Männer
Das Ensemble ist phänomenal. Dabei stechen besonders die weiblichen Figuren hervor. Nicolai Cleve Broch spielt das für nordische Kriminalfilme und -serien typische Klischee eines Kommissars mit Schwächen (in diesem Fall eine Drogenabhängigkeit) und Problemen (seine Ex-Frau ist mittlerweile mit einem anderen zusammen und die gemeinsame Tochter ist ein unkontrollierbarer Teenie). Krista Kosonen hingegen, die als gebürtige Finnin weder Norwegisch noch Altnordisch sprechen konnte und sich beides für die Rolle draufschaffen musste, und Ágústa Eva Erlendsdóttir als abenteuerliche und trinkfeste Freundin von Alfhildr bleiben im Gedächtnis.
Multi-Culture-Clash
Im deutschen Sprachraum bekam die Serie noch den sinnfreien Beinamen „Mörderische Zeiten“ spendiert, wohl um klarzumachen, dass es sich hierbei um einen Krimi mit Zeitreise-Elementen handelt. (Man denke sich hier bitte dazu, wie die Autorin dieses Textes mit den Augen rollt.) Die Grundprämisse der Serie ist aber sehr spannend. Unterschwelliges Grundthema ist immer, was es mit einer Gesellschaft macht, in der parallel existierenden Lebenswelten zur Norm gehören. So gibt es einen Markt für Menschen aus der Gegenwart, die sich operieren lassen um sich optisch an eine andere Zeit anzugleichen. Oder auch FundamentalistInnen, die sich gegen moderne Technologie aussprechen. Oder Steinzeitmenschen, die HBO-typisch nackt durch’s Bild laufen. Der eigentliche Mordfall spielt leider eine immer untergeordnete Rolle und wirkt häufig nur Mittel zum Zweck. Nichtsdestrotrotz will man natürlich wissen, wer es denn jetzt am Ende war. Nachdem aber in der letzten Folge nicht alle Fragen final geklärt sind und die Geschichte ein paar unerwartete Wendungen nimmt, freue ich mich schon sehr auf die 2. Staffel.
BEFOREIGNERS kann man noch bis zum 12.04.2021 kostenlos in der ARD Mediathek anschauen.
7.5/10
Hab ich mittlerweile auch gesehen und würde deinen Ausführungen im Grunde folgen. Mir wäre es lieb, wenn man tatsächlich mehr von der Vernetzung der verschiedenen Zeiten in die Serie einbauen würde. Ist ja mit der finalen Folge zumindest erzählerisch möglich. Na mal schauen, ob und wann eine 2. Staffel auftaucht.