Stell dir vor, es gibt einen Finanzskandal. Einen Steuerbetrug in Milliardenhöhe. Und niemanden interessiert’s. Das ist genau so passiert. Nach der Veröffentlichung der Cum-Ex-Files im Jahr 2018, die den größten Raub von Steuergeldern offenlegten, blieb der Aufschrei aus. Die deutsch-dänische Koproduktion OTHER PEOPLE’S MONEY geht das Thema noch einmal an. In Deutschland unter dem Titel DIE AFFÄRE CUM-EX bekannt, schafft die Serie, woran viele Nachrichtenberichte scheiterten – sie macht den komplexen Steuerbetrug für ein breites Publikum verständlich und fesselnd. Die Serie folgt dabei mehreren Handlungssträngen: Der ambitionierte Steueranwalt Sven Lebert (Nils Strunk) wird vom skrupellosen Dr. Bernd Hausner (Justus von Dohnányi) in die Welt der Cum-Ex-Geschäfte eingeführt. Gemeinsam entwickeln sie ein ausgeklügeltes Schema, bei dem Steuern einmal gezahlt, aber mehrfach erstattet werden. In Dänemark beobachten die Steuerbeamten Inger Brøgger (Karen-Lise Mynster) und Niels Jensen (David Dencik) wie Milliarden aus der Staatskasse verschwinden ohne dass sie wirksam eingreifen können. Als Niels in finanzielle Schwierigkeiten gerät, verliert er seinen moralischen Kompass und wird selbst zum Täter. Währenddessen deckt in Deutschland die engagierte Staatsanwältin Lena Birkwald (Lisa Wagner) den gigantischen Betrug auf und kämpft gegen massive Widerstände aus der Politik und der Bankenwelt.

Schauspielerisch erste Liga
Wer BAD BANKS mochte, wird auch OTHER PEOPLE’S MONEY mögen. Die Serie hebt sich qualitativ deutlich vom üblichen Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender ab. Sie sieht unfassbar gut aus und die Originalschauplätze in Frankfurt, London und Kopenhagen verleihen der Serie Authentizität. Überhaupt: Atmosphäre kann diese Serie wirklich wahnsinnig gut. Das liegt vor allem auch an der erstklassigen Besetzung. Justus von Dohnányi brilliert als manipulativer Finanzexperte und Vaterfigur, der seinen Schützling in die Kunst des legalen Steuerraubs einweiht. Nils Strunk – → „diesen Namen sollten wir uns merken“ (Wolfgang M. Schmitt, den ich nur zitiere, wenn er absolut Recht hat) – verkörpert überzeugend den Wandel vom ehrgeizigen Berufsanfänger zum skrupellosen Mittäter. Auch Lisa Wagner überzeugt als hartnäckige, moralisch integre Staatsanwältin, die sich durch nichts von ihrer Mission abbringen lässt. Die dänischen Kollegen fand ich im direkten Vergleich nicht so stark, was aber auch daran liegt, dass sie vom Drehbuch weniger zu tun bekommen.

Zwischen Erklärungsnot und erzählerischem Fluss
Man spürt die akribische Recherche, die hinter OTHER PEOPLE’S MONEY steht. Showrunner Jan Schomburg hat die Herausforderung erkannt: „Es fällt Menschen schwer, das Ausmaß eines Finanzskandals zu begreifen, wenn er nicht mit konkreten menschlichen Schicksalen verknüpft ist.“ Genau dieses Problem löst die Serie, indem sie abstrakte Finanzdelikte mit persönlichen Geschichten verbindet. Und so bleibt es dann am Ende auch die größte Herausforderung der Serie bei der Vermittlung der komplexen Finanzzusammenhänge. Die Serie bemüht sich redlich, die Mechanismen der Cum-Ex-Geschäfte verständlich zu erklären. Das führt allerdings gelegentlich zu Szenen, die besonders offensichtlich als Erklärung für das Publikum gedacht sind. Diese Momente wirken dann etwas konstruiert und bremsen den ansonsten flüssigen Erzählrhythmus. Dennoch gelingt es den Machern insgesamt, die komplizierten Zusammenhänge relativ nachvollziehbar zu präsentieren.

Unfreiwillig komisch
Mit acht Episoden ist OTHER PEOPLE’S MONEY relativ kompakt, dennoch hätte eine stärkere Straffung der Serie gutgetan. Der Einstieg wirkt etwas behäbig, weil erst einmal alle Protagonisten und ihre Motive vorgestellt werden müssen. Mit jeder weiteren Episode nimmt das Tempo dann deutlich zu, weil auch die Gefahr entdeckt zu werden, zunehmend steigt. Die Serie ist an vielen Stellen auch unfreiwillig komisch, wenn etwa die Banker beklagen, dass die Polizei ja keine Rücksicht auf die eigenen Kinder bei der Hausdurchsuchung genommen hätten und das anschließend mit unmenschlichen Nazi-Methoden vergleichen. Gerade die Charaktere aus der Hochfinanz mit ihren Mitteln werden regelmäßig als Jammerlappen porträtiert, die glauben, sich mit Geld alles kaufen können. Wenn sie aber mit ihrem Geld nicht weiterkommen, werden sie entweder cholerisch oder jammern auf hohem Niveau herum, was sie als das entlarvt, was sie sind. OTHER PEOPLE’S MONEY macht einen komplizierten Finanzskandal für ein breites Publikum zugänglich, ohne zu stark zu vereinfachen. Die hervorragenden Schauspieler tragen die Geschichte und bringen die moralischen Konflikte ihrer Figuren gut zum Ausdruck. Trotz der gelegentlich zu ausführlichen Erklärungen ist OTHER PEOPLE’S MONEY eine sehenswerte Serie, die den Cum-Ex-Skandal in all seinen erschreckenden Dimensionen nachvollziehbar macht.
In der ZDFmediathek ist → DIE AFFÄRE CUM-EX sowohl in der deutsch-synchronisierten als auch in der Originalfassung zu sehen.
8/10
Ich hatte in der ZDF-Mediathek schon von der Existenz der Serie erfahren. Nach deinem Review bin ich sehr geneigt, diese auch anzuschauen.