Miss Sloane (OmU, 2016)

Wow. Es gibt sie noch, die Filme, bei denen man völlig erschlagen, aber dennoch glücklich aus dem Kino kommt. Einer dieser Filme war für mich MISS SLOANE, der im Deutschen mal wieder einen unsinnigen Titel spendiert bekam: DIE ERFINDUNG DER WAHRHEIT. Nicht erst seit Serien wie HOUSE OF CARDS wird der Dunstkreis der Washingtoner Politik näher beleuchtet. In diesem Dunstkreis spielt auch Elizabeth Sloane (Jessica Chastain) mit. Sie ist eine erfolgreiche politische Strategin und Lobbyistin, die für die Kanzlei von George Dupont (Sam Waterston) arbeitet. Sloanes teils skrupellose Methoden haben ihr einen guten Ruf eingebracht, besonders da diese Methoden meistens von Erfolg gekrönt sind.

Elizabeth Sloane (Jessica Chastain) und ihr Team – © Universum

Gerade diesen Erfolg wünscht sich auch die mächtige US-Waffenlobby. Sie möchte dafür sorgen, dass ein neues Gesetz zur schärferen Kontrolle von privatem Waffenbesitz nicht verabschiedet wird. Sloane weigert sich diesem Fall anzunehmen und Dupont droht damit sie zu feuern. Kurz darauf trifft Sloane auf Rodolfo Schmidt (Mark Strong), den Chef der rivalisierenden Lobby-Firma Peterson Wyatt. Er bietet ihr an die Pro-Kampagne zu leiten. Zur Überraschung aller wechselt Sloane die Seiten und nimmt einige ihrer engsten Mitarbeiter mit. Um den Fall zu gewinnen greifen beide Parteien zu immer schmutzigeren Mitteln.

Gewinnen um jeden Preis

Dem Film gelingt es fabelhaft durchzuexerzieren, was Menschen alles tun um zu gewinnen. Was ist der Preis? Was nehmen sie dafür in Kauf? Bei Elizabeth Sloane lässt sich das sehr genau sagen: Abhängigkeit von Wachmacher-Pillen, dadurch Schlafentzug, kein geregeltes Privatleben/Sex auf Zuruf, der klassische Fall eines Workaholics, der  leidenschaftlich mit seiner Arbeit verheiratet ist.

© Universum

Eine Psychologisierung bleibt aber glücklicherweise aus. Kein Hinweis auf ein Kindheitstrauma, irgendein schockierendes Erlebnis, dass Sloane zu der gemacht hat, die sie jetzt ist. Nichts. Und das ist großartig. Ich mag es, wenn man die Interpretation dem Zuschauer überlässt; wenn der Zuschauer überhaupt mal ein bißchen mitdenken darf. Das ist heutzutage ja auch keine Selbstverständlichkeit mehr. Sloanes Siegeswillen hat einen hohen Preis, den sie am Ende auch bereitwillig zahlt. Ihr neuer Chef und der Beraterstab werden dabei unfreiwillig zum moralischen Spiegel von Elizabeths unkonventionellem Verhalten. In diesem Spiegel  sieht sie nicht nur Stirnrunzeln und laute Worte, sondern häufig auch blankes Entsetzen. Wie groß die Unterschiede sind, zeigt sich besonders in der Reaktion ihrer Kollegin Esme Manucharian (fantastisch: Gugu Mbatha-Raw), die im Gegensatz zu Elizabeth beim Thema Waffen eine persönliches Interesse an dem Fall hat.

Jessica Chastain trägt den Film

Es ist mir unbegreiflich, warum dieser Film an den Kinokassen derart gefloppt ist. Ein zweistelliger Produktionkostenbetrag  [schätzungsweise irgendwas zwischen  13 und 18 Millionen] stehen → 5.8 Millionen Einnahmen gegenüber.

Rodolfo (Mark Strong) und Elizabeth (Jessica Chastain) – © Universum

Ebenfalls überraschend ist die Tatsache, dass der Film nur eine Handvoll Preise abgeräumt hat, die meisten davon verdienterweise an Jessica Chastain, die hier ein wahres schauspielerisches Feuerwerk abbrennt. Diese mickrige Golden-Globe-Nominierung wird ihr aber in keinster Weise gerecht. Chastain trägt den Film, sie IST der Film. (Ist sie natürlich nicht, aber diese Formulierung klingt einfach so gut.) Sie spielt diese erfolgreiche Frau, bei der man selbst nie sicher ist, ob man ihr diesen Erfolg auch gönnt, mit einer Hingabe, die ihresgleichen sucht. Ein, zwei Szenen hätte man durchaus noch etwas zügiger erzählen können, aber wenn man aus dem Kino geht, hat man eine genaue Vorstellung von dieser Frau, man weiß, wie man sie einordnen muss und schwankt zwischen Abscheu und Bewunderung. Großes Kino!

5.5/6 bzw. 9.5/10

Trailer: © Universum Filmverleih

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