Manche Castingentscheidungen wirken irgendwie seltsam. Zum Beispiel als man dem großen Charakterdarsteller Liam Neeson zum ersten Mal als Actionhero gecastet hat. Nun folgt ein weiterer britischer Schauspieler in der Liste der auf den ersten Blick verwirrenden Castingentscheidungen: Colin Firth. Dieser sorgte zuletzt durch seine starken Leistungen in klassischen Dramen wie THE KING’S SPEECH für oscarverdächtigte Augenblicke. Doch in seinem aktuellen Film wurde auch aus ihm ein Actionheld und das hätte eigentlich in die Hose gehen müssen. Schließlich ist der Engländer eher für stille Rollen und introvertierte Figuren bekannt. Aber gerade wer ihn in anderen Rollen kennt, wird hier seine Freude haben, denn Firths Darstellung macht ungeheuer Laune. In der Comicverfilmung mimt er den Agenten Harry Hart, der für eine geheime und von Staaten unabhängige Eliteeinheit unter der Leitung von Arthur (Michael Caine) arbeitet. Nachdem der Agent Lancelot (Jack Davenport) bei einem Einsatz ums Leben kommt, muss Ersatz her. Jeder der übrigen Agents darf einen potentiellen Nachfolger bestimmen. Harrys Wahl fällt auf den Jugendlichen Gary „Eggsy“ Unwin (Taron Egerton). Dessen Vater war ebenfalls Kingman und rettete einst Harry das Leben – eine Schuld, die er nun begleichen möchte. Und so findet sich Eggsy zusammen mit anderen Rekruten bald auf einem schicken Anwesen samt Trainingsgelände wieder und muss unter der Aufsicht von Merlin (Mark Strong) beweisen, dass er ein Kingsman ist. Zeitgleich startet der Milliardär Richmond Valentine (Samuel L. Jackson) sein „Öko-Projekt“ mit dem er die Welt retten will. Denn die hat ein Übervölkerungsproblem, was er mithilfe von kostenlosen SIM-Karten lösen will. Diese Chips haben aber gefährliche Nebenwirkungen: sie machen aggressiv und senken die Hemmschwelle, was dazu führt, dass die Menschen übereinander herfallen und sich gegenseitig umbringen. Und so treten die Kingsman auf den Plan um Schlimmstes zu verhindern, doch Valentine ist nicht allein. Er verfügt über genügend Kapital, Waffen und die todbringende Komplizin Gazelle (Sofia Boutella).
Killen für den Klimaschutz
KINGSMAN ist ein kunterbuntes Actionspektakel mit populärkulturellen Referenzen. Das Genre des Agentenfilms und all seine Bestandteile werden parodiert und häufig bis zur Unkenntlichkeit übertrieben oder gar entstellt. Aber neben James Bond- und Jason Bourne-Witzen ist das zweite große Thema des Films der Klassenunterschied. Eggsy wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Die Mutter lacht sich die fürchterlichsten Typen an und Eggsy ist auch immer wieder in Prügeleien oder kleinere Delikte verwickelt. Als ihn dann Harry in den Kreis der gehobeneren Gesellschaft einführt, ist das erst einmal ein Kulturschock. Besonders die gehässige Art der Oberschicht bekommt er schnell in Form einiger Mitrekruten zu spüren, die allesamt in Oxford oder Cambridge studiert haben und sich über ihre Herkunft und ihre Bildung definieren. Doch während sie unter Druck versagen oder gar vertrauliche Informationen preisgeben, hält Eggsy dicht. Allerdings sorgt auch die Vielzahl an Tests, die alle Kandidaten erst einmal durchlaufen müssen, für lange Wartezeiten bis es dann zum eigentlichen Showdown kommt. Und der ist völlig unrealistisch und abgedreht: explodierende Köpfe werden zur Feuerwerkarie arrangiert und Beinprothesen als Armzerteiler eingesetzt. Häufig werden Kampfszenen dann auch noch in Slow-Motion-Einstellungen gezeigt, bei denen man sich fragt, ob das jetzt wirklich nötig war einen →ausgeschlagenen fliegenden Zahn samt Sabber wirklich so derart auffällig in Szene zu setzen.
Neben Mark Strong als strenger, aber gerechter Aufseher tut sich der bereits vorhin erwähnte Colin Firth wieder einmal hervor. Als väterlicher Freund, Vaterersatz und Mentor, stets elegant gekleidet, liefert er hier seine wohl überraschendste Rolle seit Jahren ab. Denn der brave Engländer kann auch kämpfen. Und wie! In einer epischen, wenn auch recht ekligen Kampfszene (Achtung: kann Spuren von Filmblut und aufgespießten Köpfen enthalten), die in einer einzigen Einstellung gedreht wurde, vermöbelt er alles und jeden, der sich ihm in den Weg stellt. Da gerät Newcomer Taron Egerton etwas in den Hintergrund, obwohl er natürlich am Ende ebenfalls einen Heldenmoment für sich verbuchen kann. Jeder Filmtod eines Protagonisten sorgt für eine überraschende und schockierende Wendung, weil man den jeweiligen Charakter meist schon sehr ins Herz geschlossen hat. Mit Samuel L. Jackson hat man auch einen fantastisch ambivalenten Bösewicht gefunden: sein Valentine kann kein Blut sehen und lispelt und gleichzeitig nimmt er den Tod mehrer Millionen Menschen in Kauf. Obgleich KINGSMAN: THE SECRET SERVICE ein Actionblockbuster für die breite Masse ist, enthält er neben einem grandios aufspielenden Colin Firth und einer völlig abgedrehten Geschichte auch Anspielungen für Filmliebhaber und solche, die es werden wollen.
Colin Firth rockt (4.5/6)
Trailer: © 20th Century Fox
Das die Kirchenszene in einem Rutsch gedreht wurde, war mir vorher gar nicht bekannt – dafür, dass die zeitweise auch im Zeitraffer ablief muss das auch noch ein Heidenaufwand gewesen sein. Hat sich aber definitiv gelohnt!
Mir auch nicht. Unabhängig davon für mich eine der besten Filmszenen der letzten Jahre! 🙂