Hotel Strindberg

Es war letztes Jahr Ende November. Da standen wir zwei am Bühneneingang im Nieselregen und nach kurzem Warten kam es tatsächlich zu dem heiß erwarteten Gespräch. Dieser fantastische Schauspieler plauderte locker-flockig über Gott und die Welt und empfahl uns dann auch direkt eine neue Produktion: HOTEL STRINDBERG, das neue Stück von Simon Stone. Eine Koproduktion vom Burgtheater Wien mit dem Theater Basel. Blöderweise waren alle Termine, sowohl die in Wien als auch die in Basel, äußerst ungünstig gelegen. Zumindest für jemanden, der erst noch anreisen muss. Aber das „musste“ ich dann doch. Urlaub beantragt, Ticket gekauft, Hotel und Zug gebucht – fertig ist der nächste Besuch in Basel. In drei Akten wird der Zuschauer Zeuge von verschiedenen Gesprächen innerhalb eines Hotels. In einem Zimmer unterzeichnen zwei Ex-Partner die Scheidungsunterlagen, in einem anderen hat ein Liebespaar Sex. Zwei Stockwerke darunter streitet ein lang verheiratetes Ehepaar über die Zukunft der Tochter. Und der Rezeptionist versucht etwaige Ruhestörungen oder das Rauchen im Flur zu unterbinden. Natürlich ohne Erfolg.

Szenenbild aus HOTEL STRINDBERG - Burgtheater Wien - Max Rothbart, Barbara Horvath; Michael Wächter, Aenne Schwarz, Caroline Peters - © Reinhard Werner/Burgtheater
© Reinhard Werner/Burgtheater Wien

Querschnitt menschlicher Komödien und Tragödien

Ich musste das einfach loswerden. Wozu gibt es denn sonst diese Nachrichtendienste? „Der 1. Akt endet damit, dass seine Figur im Vollrausch seine Exfrau umbringt. Heilige Scheiße. “ In der zweiten Pause las ich dann die Antwort aus München. „Uff.“ Ja, die → Daheimgebliebene hat das wirklich treffend zusammengefasst. Während der erste Akt mit eben diesem Schocker endete, von dem ich aufgrund meines Sitzplatzes glücklicherweise nicht allzu viel im Detail sehen musste, bekam die zweite Hälfte aber aufgrund des grandiosen, angeheiterten Ehestreits von Caroline Peters und Martin Wuttke dann doch eine etwas leichtere Note. Das Bühnenbild ähnelt ein bißchen dem vorherigen stone’schen Theaterstück DREI SCHWESTERN. Auch hier betrachtete der Zuschauer das Innere eines Gebäudes und die sich darin abspielenden Dramen. Das gerasterte Bühnenbild von Alice Babidge unterteilt die Bühne in mehrere Etagen, auf denen sich zeitgleich verschiedene Dinge abspielen. Somit ist das Bühnenbild auch optisch ein Querschnitt menschlicher Komödien oder Tragödien.

Szenenbild aus HOTEL STRINDBERG - Theater Basel - © Sandra Then
© Sandra Then/Theater Basel

Neue Geschichten erzählen

Simon Stone, der Australier mit Schweizer Wurzeln, ist mir tatsächlich zuerst durch die DREI SCHWESTERN aufgefallen. Ich mochte, dass diese alten Figuren (das Stück stammt aus dem Jahr 1901) über moderne Themen wie Burnout oder Kim Kardashian reden und vor allen Dingen nicht so gestelzt und gekünstelt wie man das sonst so aus dem Theater kennt. Daher war ich auch auf HOTEL STRINDBERG neugierig. Gerade das mögen die Theater-Traditionalisten ja gar nicht. Bestehende, vielleicht auch als perfekt geltende Texte umzuschreiben – ein Unding. Doch Stone meinte kürzlich → in einem 3sat-Interview, jeder könne ja gerne die alten Klassiker zuhause lesen, aber das Theater müsse politisch sein und die Gesellschaft im Theater zusammenbringen. Im Subtext lässt sich in Stones Ausführungen auch lesen: Wir brauchen neue Geschichten. Geschichten für das Publikum von heute. Und das gelang an diesem Abend ganz gut. Die einzelnen Episoden, die lose auf Motiven von August Strindberg und dessen Leben basierten, waren zeitlos-modern. Genauso vielfältig wie die Zuschauer, die diese erzählt bekamen.

Szenenbild aus HOTEL STRINDBERG - Burgtheater Wien - Max Rothbart, Barbara Horvath; Michael Wächter, Aenne Schwarz, Caroline Peters - © Reinhard Werner/Burgtheater
© Reinhard Werner/Burgtheater Wien

Gemischte Gefühle

Im dritten Akt dreht Simon Stone nochmal alles auf links. Die Figuren haben plötzlich andere Namen und stehen auch teilweise in einem anderen Verhältnis zueinander. Für jemanden, der es eh schwierig mit Namen und Gesichtern hat, also so jemanden wie mich, war das verwirrend. Auch wenn ich grundsätzlich nachvollziehen kann, warum dieser Wechsel vollzogen wird, bin ich dabei völlig durcheinander gekommen. Daher bleibt von dem Abend ein leicht ambivalentes Gefühl, welches sich auch bis zum heutigen Tag nicht wieder aufgelöst hat.

Seinen Einstand feierte an diesem Theaterabend Moritz von Treuenfels, der die Rolle von Max Rothbart übernahm. Dieser wiederum befand sich zeitgleich im Berlin um beim dortigen Theatertreffen seine Rolle in TARUFFE ODER DAS SCHWEIN DER WEISEN zu spielen (gäb’s übrigens auch momentan in der → 3sat-Mediathek anzusehen 😉 ). Basel ist in diesem Jahr gleich mit zwei Produktionen dort vertreten. Eröffnungsstück des Theaterfestivals war HOTEL STRINDBERG.

Gesehen am 14. Mai 2019 im Theater Basel

Trailer: © Theater Basel

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