1 Uhr. Guten Morgen. Es ist Oscarnacht. Der Weißwein ist bereitgestellt und meine Freundin, die eigentlich mitgucken wollte, hat mich sitzengelassen. Egal, it’s Oscar time. Nachdem Steven Gätjen einige Stars (Bruce und Laura Dern, Wim Wenders, Lupita Nyong’o…) am roten Teppich interviewt hat, übernimmt die ABC. In LA regnet es, deshalb rennen überall Sicherheitsmitarbeiter herum, die Wasser aus den Planen klopfen. Der Mann, auf den ich besonders gespannt war, kam im weißen Sakko und mit seiner Ehefrau/Lady in red: Benedict Cumberbatch wird nicht müde um auf Alan Turings Schicksal aufmerksam zu machen. Die ABC kommentiert im Anschluss die Kleidung der Anwesenden. Wie langweilig. Gibt’s nix Interessanteres? Reese Witherspoon ist die Erste, die mit dem Hashtag #AskHerMore konfrontiert. Dabei geht es darum, die Reporter dazu zu bewegen nicht nach den Designern und → den Kleidern zu fragen. Bisher scheint sich das aber noch nicht durchzusetzen. Um halb 3 ging es dann tatsächlich los. Neil Patrick Harris‘ Opening war eine Musiknummer zusammen mit Anna Kendrick und Jack Black, der in seinem Gesang auf die Schattenseiten der Branche aufmerksam machte, was ich angesichts meiner Streitschrift natürlich extrem positiv bewerte. Insgesamt wurde viel mit Special Effects auf der rückliegenden Wand gearbeitet. Das muss man mögen.
Direkt nach dem Opening gab es eine offenbar unfreiwillige Pause. „Wir bitten die Störung zu entschuldigen.“ heißt es auf ProSieben. augenroll Hallo? Wie kann denn sowas während dem Opening passieren? Um 02:45 ging es dann endlich wieder weiter. Während Liam Neeson zwei Filme aus der Bester-Film-Kategorie und Dakota Johnson den Musikbeitrag von Maroon 5 anmoderiert hat, durchforstete ich das Internet und offenbar hat J.K. Simmons in der Pause den Oscar für den besten Nebendarsteller bekommen. Jennifer Lopez und Chris Pine vergaben anschließend den Oscar für bestes Kostüm an Milena Canonero und THE GRAND BUDAPEST HOTEL. Der nächste Oscar ging ebenfalls an GRAND BUDAPEST HOTEL und Reese Witherspoon vergab die Goldstatuen für bestes Make-up und Frisuren an Frances Hannon und Mark Coulier. Nicole Kidman und Chiwetel Ejiofor vergaben den Oscar für den besten fremdsprachigen Film an IDA, den polnischen Beitrag, und Pawel Pawlikowski dankte überschwenglich und auch ziemlich ausführlich allen: “ „We made a film, black and white, about the need for silence and withdrawal from the world and contemplation, and here we are at this epicenter of noise and all the tension — fantastic, life is full of surprises!“
Shirley MacLane stellt anschließend wieder ein paar Filme aus der Bester-Film-Kategorie vor. Neil Patrick Harris läuft anschließend im Publikumsraum herum und begrüßt die „Seat filler“, die Leute, die sich hinsetzen, wenn die Preisträger gerade nicht da sind. Marion Cottillard stellt den zweiten Songbeitrag „Everything’s awesome“ vom LEGO MOVIE vor. Die Oscar-Bühne verkommt für einen kurzen Moment zum Eurovision Song Contest. Bunte schrille Kostüme erobern die Bühne, warum weiß keiner. ProSieben hat sich übrigens inzwischen über die Facebook-Gruppe entschuldigt und verlautbaren lassen: „Hallo ihr Lieben, wir entschuldigen uns vielmals für die Störung bei der Übertragung. Es lag nicht an unserem Signal und wir ärgern uns ebenso sehr wie ihr. Seid nicht traurig, dass ihr die erste wichtige Rede verpasst habt – morgen um 17 Uhr gibt es bei red! alle Highlights der Show, versprochen!“ Nach einer weiteren Werbepause vergaben Kerry Washington und Jason Bateman für den besten Kurzfilm an THE PHONE CALL und Mat Kirkby und James Lucas und den Oscar für den besten Kurzdokumentarfilm für CRISIS HOTLINE: VETERANS PRESS 1 an Ellen Goosenberg Kent und Dana Perry. Viola Davis verweist auf den Governers Ball, bei dem auch Filmemacher ausgezeichnet wurden. Gwyneth Paltrow moderiert an, Tim McGraw singt im Anschluss den nominierten Song „I’m Not Gonna Miss You“ aus GLEN CAMPBELL: I’LL BE, der mit Cowboyhut auf der Bühne sitzt. Passt optisch nicht so gut. Der Song ist jetzt auch nicht so ein Ohrwurm wie „Everything’s awesome“. Nach der Werbepause macht Neil Patrick Harris seine eigene Version von BIRDMAN und erscheint auf der Bühne nur in Unterhosen mit den Worten „Acting is a noble profession“. Herrlich.
Quelle: OscarsLive
Chris Evans und Sienna Miller vergeben den Oscar für den besten Ton für WHISPLASH und Craig Mann, Ben Wilkins und Thomas Curley. Der beste Tonschnitt ging aber für AMERICAN SNIPER an Alan Robert Murray und Bub Asman. Jared Leto vergibt anschließend den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle an Patricia Arquette für BOYHOOD. Arquette nutzte ihre Rede um sich bei allen Müttern zu bedanken: „To every woman who gave birth to every taxpayer and citizen of this nation, we have fought for everybody else’s equal rights. It’s our time to have wage equality once and for all, and equal rights for women in the United States of America.“ Meryl Streep und Jennifer Lopez flippen aus und stimmen ihr zu.
Quelle: Oscars
Im Anschluss singt Rita Ora „Grateful“ aus BEYOND THE LIGHTS, im Original gesungen von Diane Warren. Was für eine Powerballade, einen echter Ohrwurm. Chloë Grace Moretz und Ansel Elgort präsentieren den Oscar für die besten visuellen Effekte. Der geht dann an letztendlich an INTERSTELLAR und Paul Franklin, Andrew Lockley, Ian Hunter und Scott Fisher. Anna Kendrick und Kevin Hart vergeben den Oscar für den besten animierten Kurzfilm an FEAST, der Vorfilm von BAYMAX. Es bedanken sich artig Patrick Osborne und Kristina Reed. Auch BAYMAX selbst gewinnt dank Zoe Saldana und Dwayne „The Rock“ Johnson, die den Oscar für den besten Animationsfilm an Don Hall, Chris Williams und Roy Conli vergeben. Die Chefin der Academy Cheryl Boone Isaacs hält schließend eine kurze Ansprache zur freien Meinungsäußerung und die Kraft des Mediums Films. Felicity Jones und Chris Pratt stellen den besten Szenenbildner vor. Und das sind Adam Stockhausen und Anna Pinnock für THE GRAND BUDAPEST HOTEL. Idris Elba und Jessica Chastain vergaben den Oscar für die beste Kamera. Erwartungsgemäß ging der Oscar an BIRDMAN und Emmanuel Lubezki, der erst letztes Jahr für GRAVITY gewann.
Meryl Streep stellt die „In Memoriam“-Sequenz vor. Bei Richard Attenborough und Robin Williams brandet Applaus auf. Jennifer Hudson singt im Anschluss die Powerballade „I can’t let go“. Naomie Watts und Benedict Cumberbatch vergeben einen Oscar für den besten Schnitt an Tom Cross für WHIPLASH. Terrence Howard stellt im Anschluss wieder ein paar Filme aus der Bester-Film-Kategorie vor. Jennifer Aniston und David Oyelowo vergaben anschließend den Oscar für den besten Dokumentarfilm an CITIZENFOUR, was schon etwas überraschend ist, weil Edward Snowden und alle Whistleblower in den USA nicht unbedingt beliebt sind. Wim Wenders ging in dieser Kategorie leider leer aus. Viola Davis moderiert „Glory“ an, den Song aus SELMA im Original von John Stephens und Lonnie Lynn. Gesungen wird er von John Legend und Common. David Oyelowo weint. Chris Pine auch. Nach einem Wortwitz über Benedict Cumberbatchs Nachname („Benedict Cumberbatch: It’s not only the most awesome name in show business. It’s also the sound you get when you ask John Travolta to pronounce ‚Ben Affleck‘.“) folgt Idina Menzel mit „Glom Gazingo“ aka John Travolta, der nach seinem letztjährigen → Fauxpax sichtlich Angst hatte, sich nochmal zu versprechen . Der Oscar geht dann auch an SELMA und „Glory“ (John Stephens und Lonnie Lynn).
Scarlett Johannsen moderiert die THE SOUND OF MUSIC-Tribute-Sequenz an, die schließlich von Lady Gaga gesungen wird. Und das absolut hammermäßig gut. Die Stimme klingt absolut gar nicht nach ihr, wenn sie „klassisch“ singt. Standing Ovations. Kurz darauf betritt Julie Andrews die Bühne und umarmt die Lady sichtlich bewegt. Kurz darauf übergibt sie den Oscar für den besten Soundtrack an Alexandre Desplat für THE GRAND BUDAPEST HOTEL. Desplat war aber auch für THE IMITATION GAME in der gleichen Kategorie nominiert. Eddie Murphy vergab nach der Werbepause den Oscar für das beste Drehbuch an BIRDMAN mit Alejandro G. Iñárritu, Nicolás Giacobone, Alexander Dinelaris, Jr. und Armando Bó. Oprah Winfrey vergab im Anschluss den Oscar für bestes adaptierte Drehbuch an Graham Moore für THE IMITATION GAME, der eine hammermäßige Rede hält und jedem zuruft: „Stay weird. Stay different.“
Quelle: © Oscars
Ben Affleck darf die beste Regie auszeichnen und der Gewinner heißt Alejandro González Iñárritu für BIRDMAN. Im Anschluss überreicht Cate Blanchett den Oscar für die beste männliche Hauptrolle an Eddie Redmayne. Der war vollkommen überrascht, hielt eine total süße Rede und hat sich gefreut wie ein Schneekönig. In den letzten Wochen war es ein Hin und Her zwischen Michael Keaton und Eddie Redmayne. Dieses Jahr war es ein absolut hammermäßiger Jahrgang was die männliche Hauptrolle angeht. Matthew McConaughey vergab den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle erwartungsgemäß an Juliane Moore. Neil Patrick Harris präsentiert seine „Oscar Predictions“. Bevor die Lichter ausgehen darf Sean Penn den besten Film auszeichnen und das ist BIRDMAN.
So, was bleibt? Die großen Gewinner sind THE GRAND BUDAPEST HOTEL (4 Kategorien), WHIPLASH (3) und natürlich BIRDMAN (4).
Oh ja, die Rede von Graham Moore fand ich auch besonders toll. Da hat er seine Minute wenigstens sinnvoll genutzt und nicht nur, wie so viele andere, ein tausendfaches „Thank you to…“ von sich gegeben.
Ich fand die Rede auch deshalb so toll, weil sie bestimmt viele Menschen angesprochen hat. Mich auch. Ich meine, wer völlig ohne Grund über 300 Filmkritiken schreibt, der muss ja ein bißchen verrückt sein. 😉
Ja, das glaube ich auch.
Hihi, wir sind doch alle ein bisschen verrückt. 😉