Bombshell (OV, 2019)

Einen besseren Zeitpunkt für den Kinostart hätte man sich wohl kaum aussuchen können. Am 24.02.2020 wurde der Filmmogul Harvey Weinstein in zwei von fünf Anklagepunkten wegen Vergewaltigung schuldig gesprochen. Der Fall Weinstein machte weltweit Schlagzeilen und brachte der #Metoo-Bewegung die Aufmerksamkeit, die sie verdiente. Nun hat auch Hollywood den ersten Film zu dem Themenkomplex herausgebracht, allerdings geht es hier nicht um Weinstein, sondern um den Fox-Gründer Roger Ailes (John Lithgow). Im letzten Jahr gab es bereits eine Serie der Ailes-Biografie THE LOUDEST VOICE, jetzt also der Kinofilm BOMBSHELL. Ailes hat ganz eigene Vorstellungen wie man den Fernsehsender FOX nach vorne bringt. Darunter leiden besonders die amerikanische Journalistin Megyn Kelly (Charlize Theron), die Moderatorin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) und die neu hinzugekommene News-Produzentin Kayla Pospisil (Margot Robbie). Das vorherrschende Machtgefüge wird gestört als Carlson Ailes wegen jahrelanger sexueller Nötigung zur Rechenschaft ziehen will.

Szenenbild aus BOMBSHELL (2019) von Jay Roach - Gretchen Carlson (Nicole Kidman) verklagt Roger Ailes. - © Wild Bunch Germany
Gretchen Carlson (Nicole Kidman) verklagt Roger Ailes. – © Wild Bunch Germany

Wie historisch korrekt ist „inspired by true events“?

So ganz glücklich, wie ich, war die Kritikerschaft gemeinhin nicht. Es hieß, BOMBSHELL sei zu seicht und gehe nicht tief genug in die Geschichte. Auch der Fokus auf die drei Frauen sei falsch gewählt. Ich fand das aber gar nicht so schlecht. Anstatt, dass sich der Film in zahllosen Nebenplots verläuft, hält der Fokus auf die drei Frauen die Spannung hoch und überlastet den Zuschauer nicht zu sehr. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass Jay Roach nicht sehr konsequent seine Geschichte erzählt. Er gibt dem Ganzen zwar mit Jahreszahlen und Daten einen sehr historisch korrekten Anstrich, auf der anderen Seite ist die Rolle von Kayla Pospisil (Margot Robbie) komplett erfunden. Was ebenfalls recht schwierig zu werten ist, ist die direkte Ansprache des Zuschauers. Zu Beginn des Films führt Charlize Theron als Megyn Kelly durch die verschiedenen Stockwerke von Fox und erklärt ihre Bedeutung. Das gibt dem Ganzen die Note einer satirischen Aufarbeitung wie z.B. bei THE BIG SHORT. Das beißt sich inhaltlich aber mit dem systematischen Herabwürdigen von Frauen in ihrem Arbeitsumfeld. So etwas ist nicht nur nicht lustig, sondern auch ein Straftatbestand.

Szenenbild aus BOMBSHELL (2019) von Jay Roach - Megyn (Charlize Theron) fühlt sich von Roger (John Lithgow) im Stich gelassen. - © Wild Bunch Germany
Megyn (Charlize Theron) fühlt sich von Roger (John Lithgow) im Stich gelassen. – © Wild Bunch Germany

Eines der wichtigen Themen unserer Zeit

Nicht nur der Weinstein-Prozess und die Vorwürfe gegen die Moderatoren Bill O’Reilly und Matt Lauer, den Schauspieler Kevin Spacey, den Regisseur Dieter Wedel sowie die Comedians Louis C. K. und Bill Cosby und noch einigen anderen haben gezeigt, dass sexuelle Belästigung im Arbeitsumfeld kein „Einzelfall“ sind. Immer wenn Macht und Einfluss oder Abhängigkeitsverhältnisse irgendwo konzentriert ist, greifen Mechanismen, die derartiges Verhalten begünstigen. BOMBSHELL gelingt es die Mechanismen offenzulegen. Die Tische bei Fox sind alle durchsichtig. Den weiblichen Mitarbeitern wird ein Kleiderzwang auferlegt und je kürzer das Kleid desto besser. Und die meisten Frauen tun das um karrieremäßig bei Fox durchzustarten. Es gelingt dem Film sehr gut, aufzuzeigen, welcher Druck hinter den Kulissen herrschte und wie eine Atmosphäre der Angst geschaffen wurde. Gleichzeitig wird am Fall von Megyn Kelly und Gretchen Carlson auch aufgezeigt, dass die Frauen mit persönlichen Anfeindungen einschließlich einer veränderten Sicherheitslage alleingelassen wurden. 

Szenenbild aus BOMBSHELL (2019) von Jay Roach - Kayla (Margot Robbie) und Jess (Kate McKinnon) arbeiten zusammen bei Fox. - © Wild Bunch Germany
Kayla (Margot Robbie) und Jess (Kate McKinnon) arbeiten zusammen bei Fox. – © Wild Bunch Germany

Das Makeup sitzt

Da musste man schon zweimal hinschauen, als der erste Trailer zu BOMBSHELL herauskam. Die Ähnlichkeit von Charlize Theron zur echten Megyn Kelly war verblüffend. Weniger überraschend gab es dafür vor ein paar Wochen einen Oscar für das beste Makeup. Vivian Baker, Kazu Hiro und Anne Morgan haben sich diesen Preis mehr als verdient. Auch schauspielerisch kann Regisseur Jay Roach hier aus dem Vollen schöpfen. Nicole Kidman, Charlize Theron und Margot Robbie, die wohl die unangenehmste Szene des ganzen Films über sich ergehen lassen musste, überzeugen genau wie John Lithgow als furchteinflößender Senderchef. Es werden sicherlich noch Metoo-Filme kommen, die eine klarere Linie fahren, aber im Großen und Ganzen kann der Film überzeugen. 

Wer übrigens die Reaktion von Megyn Kelly auf den Film sehen möchte, bekommt hier (https://www.youtube.com/watch?v=MmSz7HqkI9s) die Möglichkeit.

5/6 bzw. 8/10

Trailer: © Wild Bunch Germany

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