Achtung, die Aliens kommen. Das ist kein Problem, schließlich sind sie im Kino ein gern gesehener Gast. Denis Villeneuves kühler Sci-Fi-Film ist der krasse Gegenentwurf zu INDEPENDANCE DAY: RESURGENCE, der ebenfalls im letzten Jahr erschien. ARRIVAL setzt zwar auch auf die Optik, punktet aber besonders mit Realismus und Tiefe. Eines Tages landen auf der Erde zwölf Alien-Raumschiffe. Die Standorte wirken beliebig und die Menschen haben Angst. Wissenschaftler und das Militär versuchen mit den Außerirdischen zu kommunizieren; sie können aber die walartigen Laute nicht verstehen. Die Linguistin Louise Banks (Amy Adams) und der Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) werden im Auftrag der US-Regierung angeworben. Sie sollen eine Kommunikationsform finden und die Absichten der Aliens in Erfahrung bringen. Colonel Weber (Forest Whitaker) lässt beide nach Montana einfliegen, wo eines der Raumschiff über dem Boden schwebt. Nach einiger Zeit gelingt es Louise eine Zeichensprache mit den außerirdischen Wesen zu entwickeln.
(Hinweis: Ich schreibe normalerweise spoilerfreie Kritiken, aber in diesem Fall muss ich eine Ausnahme machen. Daher bitte erst weiterlesen, wenn du den Film gesehen hast.)
Zeit und Bild im Film
Ein gängiges Stilmittel im Kino ist die Rückblende. Meistens dient sie dazu, sich an bestimmte Details oder ganze Szenen zu erinnern, die in der Vergangenheit liegen. Auch Louise Banks erinnert sich an Details und einzelne Momente, aber am Ende des Films kommt der Clou: Die „Erinnerungen“ liegen in der Zukunft. Alle Rückblenden waren in Wahrheit Vorblenden. Zeit wird für Louise eine chronologische Abfolge, in deren Zeitleiste man aber beliebig hin und herspringen kann wie mit einer Fernbedienung. Der Film und die Zeit lösen sich auf. Es gibt wenig Filme, die eine achronologische Erzählung wählen. Mir fällt da zuerst MEMENTO ein. Vielleicht deshalb, weil neben Denis Villeneuve auch Christopher Nolan einen festen Platz in meiner persönlichen “Liste mit Regisseuren, die konstant gute Filme machen” hat. Ohne die Zeit gäbe es keinen Film. Wenn sich die Zeit auflöst, dann löst sich auch der Film auf. Und genau das passiert bei ARRIVAL.
Quelle: © Nerdwriter1
Das zentrale Thema des Films ist Sprache und Kommunikation im Allgemeinen. Auch der Film selbst hat eine ganz eigene Sprache. Gefühle können z.B. auch gut durch die Musik übertragen werden. Das wunderbare Stück „On the nature of daylight“ von Max Richter, das bereits in SHUTTER ISLAND zu hören war, ist einfach ein Traum. Das Stück ist wie ein Schaumbad, in das man sich hineinwerfen möchte. Es füllt das Geschehen automatisch mit Bedeutung. Auch Jóhann Jóhannssons Soundtrack ist kühl und doch hypnotisierend und der Isländer hätte meiner Meinung nach für diesen Klangteppich eine dritte Oscar-Nominierung verdient gehabt.
Dirty Sci-Fi
Als es um den Look von ARRIVAL ging, beschrieb ihn Regisseur Denis Villeneuve als “Dirty Sci-Fi”. Science-Fiction-Filme sind in der Regel geprägt von durchgestylten Sets. Ein Beispiel für diesen Typ Sci-Fi-Film wäre PASSENGERS.
ARRIVAL dagegen ist durch und durch von Realismus geprägt. Alles fühlt sich echt an. Man sieht die Schweißperlen auf der Stirn von Louise und spürt gleichzeitig wie die eigenen Hände anfangen zu schwitzen. Alles ist so herrlich unglamourös. Diese Figuren sind keine lässigen Typen, die locker aus der Hüfte die Aliens umnieten, nein, Donnelly übergibt sich direkt nach dem Erstkontakt. Und keiner kann ihm dafür böse sein. Amy Adams und Jeremy Renner sind ein dynamisches Duo und besonders Adams folgt man gerne auf ihrer Reise. Ihr Dialog mit den Aliens ist weltbewegend und gleichzeitig im wahrsten Sinne des Wortes geerdet. ARRIVAL ist keiner dieser Filme, die man entspannt und ohne das Köpfchen einzuschalten, durchschauen kann. Es gibt viel zu entdecken und da lohnt sich durchaus auch ein zweiter, dritter oder vierter Blick. Zudem ist ARRIVAL auch eher für die Leinwand gemacht. Auf dem kleinen Handybildschirm kommt das Dröhnen der Musik und die schiere Größe der außerirdischen Raumschiffe sicher nicht zur Geltung.
5/6 bzw. 8.5/10
Titelbild und Trailer: © Sony Pictures
Ich fand vor allem auch den Score beeindruckend. Johanson findet immer die passenden Töne zu den gezeigten Bildern.