Das Leben ist ein Zug. Mal geht es bergauf, mal geht es bergab. Mal triffst du neue Leute, sie steigen zu, mal verschwinden sie, sie steigen aus. Letzteres ist in der filmgewordenen Allegorie von Regisseur Bong Joon-Ho leider nicht möglich. Denn in seinem Zug befinden sich die letzten Menschen des Planeten Erde. Nachdem Wissenschaftler die Welt mit einer Chemikalie überzogen haben, welche die Auswirkungen des vom Menschen verursachen Treibhauseffekts bekämpfen soll, versinkt die Welt in tiefem Eis. Einzig der Zug ist die letzte Zuflucht der Menschheit. Unentwegt befördert er seine Fracht durch alle Kontinente der Erde. Während im vorderen Teil die Reichen und Schönen dem Luxus frönen, vegetieren die weniger Priviligierten im hinteren Zugabteil. Doch dagegen regt sich Widerstand in Form des mutigen Curtis (Chris Evans), dessen oberstes Ziel es ist, den vorderen Zugteil zu erreichen. Mit der Hilfe seiner Freunde, dem Kumpel Edgar (Jamie Bell) und Mentor Gilliam (John Hurt), macht er sich schließlich auf den Weg. Aber furchtlose Soldaten, die diktatatorische Ministerin Mason (Tilda Swinton) und schließlich sogar der Erfinder des „Schneekreuzers“ (Ed Harris) versuchen seinen Marsch zu verhindern.
Eis und Dreck
Basierend auf dem Comic → Le Transperceneige von Jean-Marc Rouchette wird ein Endzeitszenario entworfen, das mitreißt. Das Dröhnen der wackelnden Zugabteilen bebt bis in den Zuschauerraum. Das grelle Licht, dass nach einem langen Tunnel plötzlich ins Abteil fällt, blendet Protagonisten wie Zuschauer. Und genauso fragt man sich, was lauert hinter der nächsten Tür? Hinter dem Aquarium, kommt die Fleischerei, eine Schule, eine Sauna… Es wird ein eigener abgeschlossener Kosmos geschaffen, der begeistert. Leider war man bei der Charakterzeichnung weniger kreativ. Die Figuren werden nicht ordentlich vorgestellt. Man ist einfach plötzlich mitten im Geschehen und muss sich die Charaktere und deren Motivationen selbst erschließen. Je weiter die Truppe im Zug nach vorne kommt, desto ausführlicher werden sie charakterisiert. Und desto mehr Blut und Tränen gibt’s auch zu sehen. Für westliches Publikum mögen die Kampf- und Blutspritzszenen zu brutal wirken, wer asiatische Metzelfilme aber mag, wird hier seine Freude haben. Leider wackelt die Kamera in den Actionszenen sehr, sodass man nicht gleich erkennt, wer hier gerade gegen wen kämpft. Zudem wirken manche Actionszenen zu gestellt. Als Curtis nach Feuer ruft, sieht man direkt im Anschluss ein Kind mit einer Fackel vom letzten Wagen bis zum Ort des Geschehens rennen. Es ist zweifelhaft, dass jemand Curtis in all dem Schlachtgetümmel versteht und dass sich die Nachricht so schnell bis in den letzten Wagen durchspricht. Auch die Rolle der Yona (Ah-sung Ko), die offenbar hellseherische Fähigkeiten hat, wird kaum beleuchtet.
Zu intelligent?
Kleine Notiz am Rande: Hollywood-Magnat Harvey Weinstein stoppte den US-Start und ließ 20 Minuten Film entfernen, da er → für das US-Publikum „zu intelligent“ sei. Ja, ein bißchen geschichtliches und gesellschaftliches Grundwissen ist durchaus von Vorteil, wenn man sich Snowpiercer ansieht. Direkt in der Anfangsszene wird ein Schuh nach der Ministerin geworfen. Ein Schelm, wer dabei an Präsident Bush denkt, dem 2008 bei einer Pressekonferenz genau das passiert ist. Zudem gilt der geworfene Schuh in der arabischen Welt als Zeichen größtmöglicher Ablehnung und des Protestes. Wer solche Dinge weiß, hat doppelte Freude an diesem Film.
Intelligente Geschichte mit viel Blut (4.5/6)
Trailer: © MFA+
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