The Fifth Estate (2013)

Es ist Ende 2007, als Daniel Berg (Daniel Brühl) zum ersten Mal auf Julian Assange (Benedict Cumberbatch) trifft. Die beiden Computerspezialisten haben sich schon seit längerer Zeit online ausgetauscht, doch erst an einer Messe an einem kalten Winterabend in Berlin treten sie sich persönlich gegenüber. Daniel ist begeistert von den Fertigkeiten Assanges und dessen Ziel, mit der Plattform Wikileaks anonyme geheime Informationen zu veröffentlichen, um politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Korruption und Verbrechen aufzuklären. So wird ihre erste Aufdeckung die der Schweizer Bank Julius Bär, welche über Jahre ihren Kunden half, ihre Vermögen am Fiskus vorbeizubringen. Doch damit ist noch lange nicht Schluss. Assange veröffentlicht eines Tages ein Video, auf dem amerikanische Truppen in Afghanistan auf unbewaffnete Zivilisten schießen. Die US-Regierung wird daraufhin auf Wikileaks aufmerksam und versucht deren Mitglieder unter Beobachtung zu stellen. Als der Plattform jedoch tausende Seiten US-Geheimdienstmaterial zugespielt werden, welche das Leben von verdeckten Ermittlern gefährden könnten, ist sich Daniel seiner Taten nicht mehr so sicher.

Heikles Thema – starker Stoff

Da hat sich Regisseur Bill Condon was vorgenommen. Eine Geschichte über Wikileaks ist immer etwas heikel, weil es viele Quellen gibt, die alle etwas Widersprüchliches sagen. Condon gelingt es gleichzeitig Sympathie für Assange und Berg zu entwickeln, aber auch Verständnis für die Haltung der US-Regierung. Allerdings muss man sich hier fragen, ob das nicht ein bißchen zu viel des Guten ist. Die Figuren der US-Geheimdienstler, verkörpert von Laura Linney und Stanley Tucci, sind zwar gut gespielt, aber eigentlich unnötig für den Verlauf der Handlung. Aber das ist nicht das einzige Problem. Die Optik der Chatprotokolle ist nicht immer konsistent. Das mag daran liegen, dass viele Chatnachrichten nachträglich nochmal ins Deutsche übersetzt und in den Film eingefügt wurden, aber da kann man doch trotzdem auf die gleiche Schriftart und -farbe achten. Gut umgesetzt war die Idee den Chat als Großraumbüro-Setting anzulegen. Allerdings bleibt unklar, warum das dann nicht konsequent durchgezogen wurde und alle Chatprotokolle im Großraumbüro besprochen werden (dann hätte man auch keine Probleme mit den Chatprotokollen gehabt). Wenn man sich schon ein bißchen mit der Materie befasst hat, und z.B. schon Daniel Domscheit-Bergs Buch gelesen hat, wird feststellen, dass der Film weitesgehend akurat die Fakten wiedergibt (Daniels halbfertiges Wikileaks-Tattoo, Daniels Manipulation der Kopierer, Julian flippt aus als Daniel in der Presse als Mitbegründer von Wikileaks bezeichnet wird…). Auffällig ist die Szene, in der Daniel suspendiert wird; sie fand damals in einem Chat statt und nicht in den Redaktionsräumen des Guardian. Trotzdem ist die Idee, diesen Dialog aus dem stillen Chat in den hektischen Redaktionsalltag zu bringen, gar nicht schlecht. Allerdings hätte man dann den kompletten Chatwechsel ins Drehbuch übernehmen sollen und nicht nur „Du bist supendiert“.

Starkes Schauspiel

Benedict Cumberbatch und Daniel Brühl sind zu jedem Zeitpunkt glaubhaft und überzeugen in ihren Rollen. Egal ob verrückte Tanzszene (hier ein Link zum → Original) oder Reden vor großem Publikum, Benedict und Daniel stecken alle in die Tasche. Allerdings bekommt man den Eindruck, dass auch viel von der Energie der Beiden bei der Synchronisation verloren ging. Richtig gut ist dann noch das große Schlussinterview, in welchem der Film aus der Sicht von Assange bewertet wird. Benedict Cumberbatch hatte vor den Dreharbeiten Kontakt mit Assange aufgenommen um sich mit ihm zu treffen. Julian Assange hatte ihm → einen Brief zukommen lassen, in dem er seine Abneigung gegen den Film kundtat, und ein Treffen ablehnte. Alle Argumente von Assange wurden daraus nochmal zitiert, was dem Film eine selbstreflexive Note verleiht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Narration eine einzige Katastrophe ist. Am Ende des Films weiß man nicht mehr, was am Anfang passiert ist, weil Condon keine Einzelheit auslassen möchte. Dies schmälert die eigentlich fantastische schauspielerische Leistung des Casts etwas.

Tolle Geschichte; gute Ansätze, aber nicht alle gut umgesetzt (4/6)

Trailer: © Constantin

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