I, Tonya (OmU, 2017)

Mein zweites Sportler-Biopic diese Woche. Und dieses ist bei weitem nicht so eindeutig zu beleuchten, wie etwa BATTLE OF THE SEXES. I, TONYA erzählt die Biografie der US-amerikanischen Eiskunstläuferin Tonya Harding. Die wurde auch außerhalb der Sportwelt bekannt im Zusammenhang mit dem Attentat am 6. Januar 1994 auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan. Bis heute gibt es aber widersprüchliche Aussagen, nicht nur was den Ablauf des Attentats betrifft, sondern auch über das Verhältnis der einzelnen Personen untereinander.

Szenenbild aus I, TONYA (2017) - Tonya (Maizie Smith) und ihre Mutter LaVona (Allison Janney) - © DCM
Tonya (Maizie Smith) und ihre Mutter LaVona (Allison Janney) – © DCM

Craig Gillespie hat es dennoch geschafft ein packendes Porträt einer streitbaren Sportlerin zu zeichnen. Die junge Tonya (Maizie Smith/Grace Mckenna) wird schon früh von ihrer herrischen Mutter LaVona (Allison Janney) auf ihre Karriere als Eiskunstläuferin vorbereitet. Mit ihrem rübelhaftem Auftreten und den selbstgenähten Kostümen hat sie es zwar nicht leicht, dennoch lässt sich ihr Talent für das Eiskunstlaufen kaum bestreiten. Sie ist die erste Amerikanerin, der zweimal ein Dreifach-Axel im Rahmen eines Wettbewerbs gelingt. Den schwierigen Sprung können nur wenige. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere wird ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan (Caitlin Carver) bei einem Attentat verletzt. Bald stellt sich heraus, dass Hardings Mann Jeff Gillooly (Sebastian Stan) und einige seiner Freunde für den Angriff verantwortlich sind.

Wiedersprüchliche Aussagen

Würde ein Drehbuchautor die Geschichte um Tonya Harding erfinden, würde er sicherlich zu hören bekommen, dass die Geschichte zu unrealistisch sei. Vielleicht erinnert der Film auch deshalb immer wieder daran, das viele Dinge tatsächlich so passiert sind. So steht Tonyas Trainerin im Wald und erklärt mit Blick in die Kamera, dass sich ihr Schützling beim Training an den Rocky-Filmen orientiert hat und deshalb tatsächlich mit einem Sack auf den Schultern durch den Wald gejoggt ist.

Szenenbild aus I, TONYA (2017) -Jeff Gillooly (Sebastian Stan) und Tonya Harding (Margot Robbie) - © DCM
Jeff Gillooly (Sebastian Stan) und Tonya Harding (Margot Robbie) – © DCM

Ungewöhnlich für ein Biopic dieser Art ist die Erzählweise von I, TONYA. Nachdem sich bei Schlüsselereignissen die Versionen der Beteiligten grundlegend unterscheiden, entscheidet sich der Film beide Versionen nebeneinander zu zeigen bzw. aufeinander zu verweisen. So sind Blicke direkt in die Kamera keine Seltenheit. Wenn etwa Tonya ihrem flüchtenden Mann mit einer Flinte in der Hand hinterherschießt, dann aber direkt in die Kamera sagt, sie habe das nie gemacht, entbehrt das natürlich nicht einer gewissen Komik. Und es ist auch deshalb ein gelungenes Mittel, weil der Zuschauer dadurch nicht nur passiv im Kinosaal sitzt, sondern sich selbst eine Meinung bilden kann und stärker in das Geschehen eingebunden ist als bei einer chronologischen 08-15-Erzählung. Ebenfalls hilfreich sind die Interviews mit den einzelnen Personen, die auch zur Narration eingesetzt werden.

Underdog auf Siegerkurs

Die Besetzung ist ein absolutes Träumchen. Allison Janney, die eigentlich nicht oft zu sehen ist, hat sich aber ihren Oscar als beste Nebenrolle sowas von verdient. LaVona ist einfach furchtbar. Jedes Aufeinandertreffen von LaVona und Tonya startet mit einer Reihe von Provokationen. „That girl is your enemy“ schreit LaVona durch die Eishalle als sich die junge Tonya mit einem anderen Mädchen unterhält.

Szenenbild aus I, TONYA (2017) -Jeff Gillooly (Sebastian Stan) und Tonya Harding (Margot Robbie) lernen sich kennen - © DCM
Jeff Gillooly (Sebastian Stan) und Tonya Harding (Margot Robbie) lernen sich kennen – © DCM

Sie sitzt beim ersten Date von Tonya und Jeff mit am Tisch und fragt unverblümt, ob sie schon miteinander geschlafen hätten. Und dann ist da auch noch die fabelhafte Margot Robbie, die den Film mühelos trägt. Leider spielt Robbie auch die Tonya, die auf ihren zukünftigen Mann trifft, was etwas unglücklich gewählt ist, denn weder Margot Robbie noch Sebastian Stan gehen optisch als Teenager oder junge Erwachsene durch. Die Musik, so schön sie auch ist, ist leider sehr dominant und lenkt von der Handlung ab. Hintenraus zieht sich der Film auch etwas zu sehr. Alles in allem ist I, TONYA aber ein großartiges Beispiel für ein Biopic wie man es machen sollte, wenn es keine universelle Wahrheit und kein eindeutiges Bild zu der porträtierten Person gibt. Vielleicht sind deshalb auch die letzten Worte des Films: „And that’s the fucking truth“.

5/6 bzw. 8/10

Trailer: © DCM

4 thoughts on “I, Tonya (OmU, 2017)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert