FLOW (OT: STRAUME) wurde mir schon im Dezember letzten Jahres in der Youtube-Filmbubble empfohlen. FLOW wurde als Positivbeispiel hervorgehoben, weil Regisseur Gints Zilbalodis und sein kleines Team ihren Film mit der kostenlosen Animationssoftware Blender geschaffen haben. Und dann gab’s natürlich noch den Oscar in der Kategorie „Bester Animationsfilm“. Doch trotz aller Lobeshymnen hat es lange gedauert, bis ich FLOW endlich sehen konnte. Der Film lief in deutschen Kinos hauptsächlich nachmittags im Kinderfilm-Slot, und da ist es als Berufstätige gar nicht so leicht, einen passenden Termin zu finden. Im Zentrum des Films steht eine kleine, schwarze Katze. Nach einer gewaltigen Flut, die ihre Heimat zerstört hat, findet sie Zuflucht auf einem Boot. Die schwimmende Nussschale beherbergt mit der Zeit immer mehr Tierarten – ein gemütliches Capybara, einen kleptomanischen Affen und weitere Mitreisende – die trotz ihrer Unterschiede lernen müssen, zusammenzuhalten. Für den felligen Einzelgänger gestaltet sich diese Zwangsgemeinschaft zunächst schwierig. Gemeinsam navigieren die Tiere durch überflutete Landschaften und stellen sich den Herausforderungen einer veränderten Welt.

Stille Erzählkunst, die berührt
FLOW schwimmt gegen den Strom typischer Animationsfilme. FLOW verzichtet nämlich aufgrund seiner tierischen Protagonisten komplett auf gesprochene Dialoge und vermittelt seine Geschichte ausschließlich durch die visuelle Gestaltung und Tierlaute. Diese Entscheidung von Zilbalodis zahlt sich aus. Er verzichtet auf hektische Actionszenen, flache Gags und Charaktere mit großen Kulleraugen. Stattdessen vertraut er auf die Kraft der Bildsprache und die emotionale Intelligenz seines Publikums. Der Film nimmt sich genügend Zeit für stille Momente und erlaubt den Zuschauern, selbst zu fühlen und zu denken. Die Geschichte entwickelt sich organisch, ähnlich wie das Wasser, das die Landschaft formt und verändert. Dadurch entsteht eine meditative Atmosphäre, die in der heutigen schnelllebigen Filmlandschaft selten geworden ist.

Visuell beeindruckend
Ich habe es schon angedeutet: FLOW sieht einfach richtig gut aus. Die Tiere und ihre Eigenarten sind allesamt sehr gut getroffen. Die Lichtstimmung ist meistens in warme Farbtöne getaucht. Die Animation des Wassers, das hier in all seinen Facetten schimmert, aber auch bedrohlich sein kann, ist wirklich wunderschön und zeigt was inzwischen im Animationsbereich alles möglich ist. Zilbalodis kreiert mit seinem ganz eigenen Look beeindruckende Bilder, die lange im Gedächtnis bleiben. Er lässt Landschaften entstehen, die gleichzeitig vertraut und fremdartig wirken. Wie auch die kleine Katze im Film lässt man die Umgebung auf sich wirken und ist neugierig, was die tierische Gemeinschaft bei ihrer nächsten Station erwartet. Dass dieser Film mit einer kostenlosen Software entstanden ist, ist mehr als nur beeindruckend. Das Team hinter FLOW hat bewiesen, dass eine starke, kreative Vision und Leidenschaft für die eigene Geschichte wichtiger sind ist als millionenschwere Produktionsbudgets.

Was möchte FLOW eigentlich erzählen?
Nach dem Ende des Films saß ich eine Weile da und habe mir überlegt, was mir FLOW überhaupt erzählen möchte. Denn das Ende war wirklich zu abrupt. Als hätte man mich aus einer besonders tiefen Meditation mit lautem Krach herausgerissen. Das Filmende öffnet den Raum für verschiedene Interpretationen. Die tierischen Protagonisten verkörpern unterschiedliche Lebenseinstellungen: Das Capybara lebt im Moment, ruht sich aus und genießt das Vorhandene. Der Affe sammelt besessen Gegenstände, klammert sich an materiellen Besitz und strebt nach immer mehr. Die Katze als Hauptfigur durchlebt eine klassische Heldenreise, bei der sie lernt, Vertrauen zu entwickeln und ihren Individualismus zu überdenken. FLOW spiegelt damit grundlegende menschliche Erfahrungen wider – von Verlust und Neuanfang bis hin zur Suche nach Gemeinschaft. Die Oscar-Auszeichnung hat FLOW mehr als verdient. Zilbalodis hat einen poetischen, tiefsinnigen Film kreiert, der sowohl Kinder als auch Erwachsene anspricht – wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen.
FLOW ist ab dem 17. Juli 2025 auf DVD und Blu-ray verfügbar.
8.5/10