Mit der Premiere von SHŌGUN auf Disney+ betritt der Streamingservice neues Terrain, weit entfernt von seiner traditionellen Ausrichtung auf Familieninhalte. Die eingekaufte Mini-Serie von Hulu bietet Unterhaltung für Erwachsene, eingebettet in das feudale Japan. In der ersten Staffel von SHŌGUN strandet der englische Navigator John Blackthorne (Cosmo Jarvis) in Japan, einem Land geprägt von Krieg, Machtkämpfen und Intrigen. Schnell gerät er in den Machtkampf zwischen dem mächtigen Fürsten Yoshi Toranaga (Hiroyuki Sanada) und seinen Rivalen. Toda Mariko (Anna Sawai) fungiert als Dolmetscherin an Toranagas Seite, was Blackthorne hilft, sich in der komplexen Kultur und Sprache Japans zurechtzufinden und sein Schicksal sowie das des Landes entscheidend zu beeinflussen.
SHŌGUN – das japanische GAME OF THRONES
SHŌGUN entführt das Publikum in ein episches Abenteuer, das sich am besten als eine japanische Version von GAME OF THRONES beschreiben lässt. Nur ohne die fantastischen Elemente wie Magie und Drachen. Die Serie zeichnet sich durch ihren fordernden Erzählstil aus. Sie wirft die Zuschauer mitten ins Geschehen, mit wenig Vorgeschichte oder Erläuterungen, was das Publikum zwingt, die komplexen politischen und persönlichen Beziehungen selbstständig zu entschlüsseln. Das gilt auch für alle Sprechanteile in japanischer Sprache, die konsequent untertitelt, aber nicht synchronisiert wurden. Das sorgt für eine starke Immersion, was allerdings nicht jedem gefallen wird. Mich, als alte Untertitel-Veteranin, hat das aber überhaupt nicht gestört.
Historisch nicht ganz korrekt, aber dennoch authentisch
Die Spannung bleibt in SHŌGUN durchgängig auf einem hohen Niveau. Vorangetrieben wird die Geschichte von unvorhersehbaren Ereignissen, die das Publikum immer wieder überraschen. Leider wird relativ häufig Seppuku, also der rituelle Selbstmord der Samurai, zu diesem Zweck eingesetzt. Historiker haben das bereits an der Serie kritisiert, weil hier einzelne Charaktere freiwillig und häufig aus moralischen Gründen sich selbst den Bauch aufschlitzen. → Tatsächlich war Seppuku damals wahnsinnig selten und wurde von Leuten begangen, die ein großes Verbrechen begangen hatten und ohnehin hingerichtet worden wären. Es war also ein Ausweg aus einer ausweglosen Situation und weniger eine Frage der Ehre. Dennoch muss man der Serie zugute halten, dass sie sehr → viel Wert auf historische Korrektheit gelegt wurde. Die Serie hatte sogar einen Berater am Set, der „Master of the Gestures“ genannt wurde und die historische Korrektheit von Gesten der Charaktere überwacht hat.
Was für’s Auge
Visuell beeindruckt SHŌGUN mit prächtigen Kulissen und Kostümen. Die recht expliziten Darstellungen von Gewalt, darunter Enthauptungen und groß angelegte Schlachten tragen maßgeblich zur Atmosphäre bei, sind aber nicht für jeden etwas. Auch das fantastische Ensemble ist einfach sehr gut gecastet und alle Figuren, selbst im Hintergrund, bekommen ihre Momente zu glänzen. Hiroyuki Sanada wird hoffentlich bei der nächsten Awardseason mit Preisen überschüttet, denn seine Darstellung ist einfach wahnsinnig packend. SHŌGUN überzeugt nicht nur durch seine tiefgründige Geschichte und komplexe Charakterzeichnung, sondern gehört auch visuell zu den besten Serien des Jahres.
Die erste Staffel Shōgun ist über den Streamingdienst Disney+ abrufbar. Eine zweite Staffel ist momentan nicht geplant (Stand: Mai 2024).
9/10
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