Sen Ben Lenin (2021)

Auch → die Türkischen Filmtage blieben von der Corona-Pandemie nicht verschont. 2020 mussten sie kurz vor dem Start abgesagt werden. Im darauffolgenden Jahr war die Situation immer noch sehr unsicher. Daher fanden Filmtage nur online statt. Da man aber mit den Online-Screenings gute Erfahrung gemacht habe, habe man sich in diesem Jahr für ein hybrides Modell entschieden, so Margit Lindner, Gründungsmitglied des Vereins SinemaTürk, bei der Eröffnung. Der Eröffnungsfilm SEN BEN LENIN (YOU ME LENIN) dreht sich um zwei Ermittlungsbeamte (Barış Falay und Saygin Soysal), die in eine kleine Stadt an der türkischen Schwarzmeerküste gekommen sind um eine verschwundene Lenin-Statue wiederzufinden. Denn diese ist am Strand angespült worden und der Bürgermeister hat beschlossen eine Touristenattraktion daraus zu machen. Einschließlich Eröffnungszeremonie mit hochkarätigen Gästen aus dem In- und Ausland. Doch kurz vor der Feierlichkeit ist sie verschwunden. In den Verhören kommen unerwartete Geschichten ans Tageslicht.

Szenenbild aus SEN BEN LENIN - YOU ME LENIN - zwei Ermittlungsbeamte (Barış Falay und Saygin Soysal) -  © Türkische Filmtage
Die Ermittler (Barış Falay und Saygin Soysal) stehen vor einem Rätsel – © Türkische Filmtage

Verschwundene Menschen

Wer sich mit anderen Kulturen beschäftigt, lernt auch neues Vokabular. Das Wort, das ich im Zuge von SEN BEN LENIN gelernt habe, war das Wort „Samstagsmütter“. Die Samstagsmütter (Cumartesi Anneleri) sind eine türkische Organisation von Angehörigen und Bürgerrechtlern, die nach dem Verbleib von Personen fragen, die in Polizeihaft „verschwunden“ sind. Und auch wenn es hier vordergründig um die Suche nach einer Lenin-Statue geht, ist die verschwundene Person ein wiederkehrendes Thema in den Verhören und die Ermittler werden immer wieder damit konfrontiert. Die Städter halten nämlich zusammen. Sie geben sich gegenseitig Alibis und verbrüdern sich gewissermaßen gegen die Polizei. Clever gemacht ist daher, dass man die Geschichte aus der Sicht der Ermittler erzählt bekommt, denen sichtlich immer mehr der Geduldsfaden reißt.

Szenenbild aus SEN BEN LENIN - © Türkische Filmtage
Blick auf die Stadt – © Türkische Filmtage

Skurrile Gesichter allerorten

Aufgrund finanzieller Engpässe entschied sich der Regisseur Tufan Taştan ein Kammerspiel aus dem Stoff zu machen. Somit gibt es in diesem Film wenig Ortswechsel. Ein Ermittler schaut immer mal wieder aus dem Fenster. In der Ferne liegt die Stadt, in der alle Zeuginnen und Zeugen leben. Immer wieder kommt es auch zu fantastischen Momenten. Die Ermittler hören Geräusche, die sonst niemand hört oder sehen Dinge, die ebenfalls einen unwirklichen Charakter haben. Das hätte es eigentlich nicht gebraucht und lenkt auch ein bißchen ab. Die Mischung aus Komik und Ernst wird ganz großartig von Barış Falay und Saygin Soysal verkörpert, die die Archetypen eines knorrigen Kommissars und des stillen Analytikers spielen. Die grundlegende Geschichte, auf der die Rahmenhandlung basiert, ist übrigens wahr. Im Juli 1993 wurde an der Nordküste der Türkei eine Lenin-Statue angeschwemmt. Ein Bürgermeister wollte die Statue tatsächlich als Attraktion ausstellen, was die Regierung aber verhinderte.

7/10

Bewertung: 7 von 10.

SEN BEN LENIN war der Eröffnungsfilm der → 33. Türkischen Filmtage München.

Trailer: Türkische Filmtage München

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