Ewig leben. Ein Thema, das gerne im Kino aufgearbeitet wird. Entweder in Form eines Vampirfilms (ONLY LOVERS LEFT ALIVE), eines Dramas (FÜR IMMER ADALINE) oder eines Science-Fiction-Films. Einen solchen inszenierte Tarsem Singh, dessen Markenzeichen bislang optisch opulente Bildkompositionen waren (z.B. THE FALL). Davon sieht man in SELF/LESS leider nicht viel. Beinahe schnörkellos, schon fast bieder, erzählt Singh vom milliardenschweren Industriellen Damian Hale (Ben Kingsley). Der hat zwar ein großes Firmenimperium aufgebaut und immer noch große Pläne, doch sein Körper macht nicht mehr mit.
Die Diagnose Krebs trifft Hale überraschend. Anstatt sich endlich mit seiner Tochter Claire (Michelle Dockery) auszusöhnen, mit der er nur selten Kontakt hat, nutzt Hale sein Geld und den Einfluss um sich Lebenszeit zu erkaufen. Gelingen soll das durch das sogenannte “Shedding”. Hierbei wird der Geist von Damian in den gesunden Körper eines anderen Mannes (Ryan Reynolds) verpflanzt. Der Wissenschaftler Albright (Matthew Goode) führt die Transformation durch. Die Operation gelingt und Damian genießt sein neues Leben als “Edward”. Doch Damian hat immer wieder Albträume und halluziniert, wann immer er seine Medizin nicht einnimmt. Bald trifft er auf die alleinerziehende Mutter Madeline (Natalie Martinez), die ihn zu kennen scheint.
Selbst der Tod hat Nebenwirkungen
Auch wenn die Geschichte einigermaßen plausibel erzählt wird, hat man doch irgendwie das Gefühl, dass das Drehbuch von Àlex Pastor und David Pastor mehr Wert auf oberflächliche Action als auf Tiefgang setzt. Dabei ist das Grundthema Unsterblichkeit ein wirklich spannendes. Die Pastor-Brüder stellen aber nicht die moralischen Fragen: Wer entscheidet über Weiter-Leben oder Tod?
Welche Veränderungen ergeben sich daraus für die Struktur einer Gesellschaft, wenn die Reichen ewig leben? Darf man den Körper eines Fremden übernehmen um darin weiterzuleben? Auf diese Fragen liefert SELF/LESS nur halbgare Antworten und das auch nur, wenn es die Handlung voranbringt. Bei diesen oberflächlichen Filmen, da frage ich mich schon, warum nicht alle die brillanten, tiefgründigen Dialoge eines Alex Garland-Drehbuchs (EX MACHINA) besitzen können. Wo man auch hinterher merkt, dass sich die Autoren Gedanken gemacht haben.
Selbstlos geht anders
Hinweis: Im folgenden Abschnitt gibt es einen Spoiler.
Wer den Film wegen Ben Kingsley anschaut, kann sich das eigentlich sparen, denn Kingsley ist nur in den ersten 15 Minuten des Films zu sehen. In diesen läuft er in der goldenen Wohnung im Trump Tower herum oder liegt kränkelnd herum.
Danach übernimmt der jugendliche Ryan Reynolds, der leider keine der etablierten Charaktereigenschaften von Hale übernimmt. Hier wäre die Möglichkeit gewesen, so etwas wie Altersweisheit oder Gelassenheit auszustrahlen. Stattdessen knutscht der Reynolds-Charakter in einer Montage diverse Frauen und zeigt durch Fahrten mit teuren Sportautos und Yachten stattdessen nur die Fortsetzung des Exzesses. Der Einzige, der hier noch halbwegs einen guten Job macht, ist Matthew Goode, der ein spannender, unvorhersehbarer Gegenspieler ist. SELF/LESS endet damit, wo IN TIME anfängt. Damien entscheidet sich „selbstlos“ gegen das ewige Leben. Fehlt nur noch Justin Timberlake und der Kitsch wäre perfekt.
3.5/6 bzw. 6/10
Trailer: © Concorde Home Entertainment