Es vergeht kein Tag an dem nicht von der “Russland-Krise” oder “den Verwicklungen mit Russland” die Rede ist. Passend dazu ist derzeit ein Spielfilm in den Kinos, in denen abermals Russland und Amerika aufeinandertreffen: RED SPARROW. Russland wird vertreten von der ehemaligen Primaballerina Dominika Egorova (Jennifer Lawrence). Die kann nach einer Verletzung ihren Beruf nicht mehr ausüben. Damit sie aber weiter für ihre kranke Mutter sorgen kann, bekommt sie von ihrem Onkel Vanya Egorov (Matthias Schoenaerts) eine zweifelhafte Möglichkeit geboten.
Sie soll Teil des Red-Sparrow-Programms der russischen Regierung werden. Die Ausbildung unter den wachen Augen von Ausbilderin Matron (Charlotte Rampling) setzt Dominika physisch und psychisch zu. Trotzdem besteht sie alle Aufgaben mit Bravour. Auftritt Amerika: Dominika soll den amerikanischen CIA-Agenten Nathaniel Nash (Joel Edgerton) um den Finger wickeln und die Identität eines Russen herausfinden, der die Amerikaner mit geheimen Informationen versorgt. Doch Nash lässt sich so leicht nicht blenden.
Die Waffen einer Frau
Es hätte so schön sein können. In London gab es Mitte Februar → einen Fototermin auf dem Balkon. Bei einstelligen Plusgraden stand da Jennifer Lawrence in einem schwarzen, offenherzigen Kleid umringt von ihren Schauspielkollegen, die allesamt den Temperaturen entsprechend Mäntel trugen. Sofort war von Sexismus die Rede.
Man könne die arme Frau doch nicht zwingen ein Kleid in der Kälte zu tragen. Die gleichen kritischen Stimmen beschweren sich wahrscheinlich auch darüber, dass sich Lawrence, die Kämpferin für gleiche Bezahlung in der Filmindustrie und Frauenrechte, in diesem Film zum hübschen Sexobjekt degradiert. Aber hier würde Lawrence bestimmt ähnlich argumentieren wie in der Kleiderfrage: Es sei ihre Entscheidung gewesen und wenn sie fünf Minuten auf dem Balkon frieren möchte, dann sei das ihre Sache. Und wenn sie in einem Film splitterfasernackt zu sehen sein will, dann ist das halt so.
Mehr Drama als Action
Ich hatte nach dem Trailer von RED SPARROW ein actiongeladener Kracher wie ATOMIC BLONDE erwartet. Einige Szenen passen auch durchaus in die Kategorie “rachsüchtige Elitekämpferin gegen den Rest der Welt”. Über weite Strecken ist RED SPARROW allerdings ein Drama. Ein sehr erwachsenes Drama. Da hat der Mann, der für Dominikas Krankenstand verantwortlich ist, in der Dampfsauna Sex mit ihrer ehemaligen Konkurrentin. Natürlich schlägt die Furie danach sowohl auf die Frau als auch auf den ehemaligen Tanzpartner ein bis beide bluten. Und genau in diesen Szenen, die Dominikas Motivation erklären sollen, wirkt der Film zu konstruiert. Natürlich folgt man der Protagonistin trotzdem weiter auf die Eliteschule, wo Charlotte Rampling lang und breit ihren Schülern erklärt, das ihnen ihr Körper nun nicht mehr selbst gehöre, sondern dem Staat.
Und natürlich absolviert sie diese zweifelhafte Ausbildung als “Red Sparrow” mit Bravour. Dass man die Logiklöcher ignoriert, liegt hauptsächlich an Jennifer Lawrence, die mit Sexappeal und Ausstrahlung auch über größere “Zufälle” in der Handlung und Logiklöcher hinwegtröstet. Trotzdem ergeben sich im letzten Drittel Längen, die auch ein an den Haaren herbeigezogener Wendepunkt nicht wieder ausgleichen kann. Am Ende merkt man dem Film an, dass er in Richtung Universenbildung bzw. Franchise schielt. Jason Matthews, der Autor der Romanvorlage, hat noch zwei weitere Romane über die Red Sparrows geschrieben. Das Ende des Films ist vergleichsweise offen gehalten und lässt genügend Luft für eine Fortsetzung.
4.5./6 bzw. 7.5/10
Trailer: © FoxKino
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