VR-Brillen sind momentan ja “der neue heiße Scheiß”. Auch wenn die Nutzung wahrscheinlich am Ende mehr für die Wirtschaft und Medizin interessant sein wird als für den privaten Kunden, gibt es momentan kein Fachmesse, an der man an den Brillen vorbeikommt. Selbst auf Youtube kann man inzwischen 360°-Videos abspielen. Da ist der Schritt nicht weit zur tatsächlichen virtuellen Realität, die in Ernest Clines literarischer Zukunftsdystopie entworfen und jetzt von Altmeister Steven Spielberg auf die Leinwand gebracht wird. Im Jahr 2045 leben die meisten Menschen zum größten Teil in einer virtuellen Welt, der sogenannten OASIS. Die Realität ist hart und trist. Da ist es kein Wunder, dass sich die Menschheit lieber in virtuellen Nachtclubs, Golfplätzen oder Bibliotheken herumtreibt.
Der exzentrische Programmierer und Web-Designer James Halliday (Mark Rylance) hat die OASIS erschaffen. Der 18-jährige Spieler Wade Watts (Tye Sheridan) verbringt als sein Avatar Parzival die meiste Zeit in der OASIS damit nach geheimen Hinweisen zu suchen. Halliday hat vor seinem Tod kleine Eastereggs versteckt. Der Gewinner soll die Macht über die OASIS bekommen. Fünf Jahre hat noch keiner eines dieser Eastereggs gefunden. Auch nicht Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn), der Konzernchef der Konkurrenzfirma IOI, der mithilfe seiner zahlreichen Ressourcen alles versucht um die Oasis und damit auch Hallidays Firma zu übernehmen. Nachdem Parzival und seine Freunde Art3mis (Olivia Cooke) und Aech (Lena Waithe) die Rätsel lösen können, geraten sie in das Visier von Sorrento, der sie sowohl virtuell als auch in der realen Welt stoppen möchte.
Technologie muss dosiert werden
Der Film verfolgt einen recht technologiekritischen Ansatz. READY PLAYER ONE erzählt in den letzten Szenen beiläufig, dass der Einfluss der OASIS begrenzt wird. An Dienstagen und Donnerstagen bleibt die OASIS abgeschaltet. Es sei zwar eine unpopuläre Entscheidung gewesen, erzählt die Off-Stimme, aber es ist wichtig gewesen, damit die Menschen nicht den Bezug zur Realität verlieren. Jeder, der schon mal eine VR-Brille auf der Nase hatte (und das habe ich schon mehrfach), erkennt schnell, warum man sich in dieser virtuellen Welt auch verlieren kann, besonders, wenn es sich um ein Multiplayer-Spiel handelt.
Momentan sind VR-Spiele noch relativ einfach gehalten. Man kann sich aber durchaus vorstellen, dass die Technik bis zum Jahr 2045 tatsächlich so ausschaut wie im Film dargestellt. READY PLAYER ONE läuft in einer Zeit in den Kinos, in denen Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress aussagen muss, weil Daten von Millionen Nutzern an eine zwilichtige Beratungsfirma gingen. Einer Zeit, in der das Thema Datensicherheit heiß diskutiert wird und der Begriff „Internetabhängigkeit“ → einen eigenen ausführlichen Wikipedia-Eintrag hat. Eine Fortsetzung könnte das noch mehr beleuchten und in der Tat sitzt Ernest Cline momentan an einem neuen Roman. Arbeitstitel der Fortsetzung ist bislang „Ready Player Two“.
Unterhaltsamer Nerdgasm
Wenn ein Film schon mit Van Halen’s „Jump“ anfängt, dann macht das gute Laune. Wenn man dann noch eine Bild-Ton-Schere macht, indem man den peppigen Song mit Bildern der Trostlosigkeit des Ghettos unterlegt, dann gibt’s Bonuspunkte. Spielbergs neuster Film ist ein quietschbunter, unterhaltsamer Nerdgasm auf die amerikanische Popkultur. Da fährt Parzvial in dem DeLorean aus ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT, wirft die Mörderpuppe Chucky in einen Haufen gegnerischer Truppen und King Kong ist der martialische Endgegner in einem packenden Autorennen.
Zudem agieren die Avatare in mehreren ikonischen Filmszenen aus THE SHINING. Diese Referenzen zu entdecken, macht großen Spaß. Der große Showdown gerät hingegen unnötig lang. Insgesamt sind die Actionszenen, wie etwa das Autorennen und die große Schlacht, sehr schnell geschnitten. Erkennen kann man da wirklich wenig. Vielleicht ist das auch Absicht um die Heimkino-Verkäufe anzukurbeln. Damit der passionierte Cineast nochmal Bild für Bild feinsäuberlich nach Referenzen untersuchen kann.
„A fan knows a hater“
Während Mark Rylance als OASIS-Erfinder einen sympathischen Einruck macht, hat Ben Mendelsohn als Gegenspieler nur eine schwache Motivation. Er ist ein 08-15-Bösewicht. Der gefühlskalte Geschäftsmann, der die OASIS nur aus Gründen der Gewinnmaximierung für sein eigenes Unternehmen an sich reißen möchte. Im letzten Drittel offenbaren sich auch einige Logiklöcher.
So freuen sich IOI-Mitarbeiter darüber, dass Wade das letzte Rätsel löst, was ja genau der Firmenpolitik von IOI diametral gegenübersteht. Tye Sheridan und seine Kollegen spielen allesamt solide, ohne besonders positiv oder negativ aufzufallen. Das Ende gerät ein bißchen zu glatt. Es wird wohl niemanden überraschen, dass die OASIS am Ende gerettet ist, die Bösen besiegt werden und der Junge das Mädchen kriegt. READY PLAYER ONE macht dennoch ungemein Spaß und ist das Geld für Eintritt und Popcorn definitiv wert.
4.5/6 bzw. 7.5/10
Trailer: © Warner Bros. Deutschland
Wenn dir der Film gefallen hat, solltest du dem Buch auf jeden Fall eine Chance geben. Zumal es sich auch gut nach dem Film lesen lässt – wurden doch viele Sachen für den Film verändert.