Erwachsenwerden ist gar nicht so einfach. Vielleicht gibt es auch deshalb so viele Coming-of-Age-Filme. Das neueste filmische Werk dieses Subgenres ist der Film LADY BIRD von Greta Gerwig. Lady Bird heißt eigentlich Christine McPherson (Saoirse Ronan) und ist 17 Jahre alt. Sie lebt mit ihrer Familie in Sacramento und ist von ihrem Leben einfach nur genervt. Auch wenn sie ein gutes Verhältnis zu ihrer Familie hat, gerät sie immer wieder mit ihrer Mutter (Laurie Metcalf) aneinander.
Die konservative katholische Highschool nervt. Lady Bird möchte lieber auf ein College an der Ostküste um ihre künstlerische Ader voll auszuleben. Doch das scheitert nicht nur an den Noten, sondern auch am Geld. In dem Jahr vor ihrem Abschluss verbringt sie nicht nur viel Zeit mit ihrer besten Freundin Julie (Beanie Feldstein). Durch ein Vorsprechen für ein Musical lernt sie Danny (Lucas Hedges) kennen. Danny will ebenfalls aus Sacramento und träumt davon, in Paris zu leben. Doch die junge Liebe ist nur von kurzer Dauer. Lady Bird hat ihren ersten Liebeskummer. Ein Glück, dass sie kurz darauf dem Bandmitglied Kyle (Timothée Chalamet) begegnet, der sie wieder auf andere Gedanken bringt.
”These four men and Greta Gerwig created their own masterpieces this year.”
Es hätte sicher subtilere Möglichkeiten gegeben, darauf hinzuweisen, dass nach langer Abstinenz mal wieder eine Frau in der Oscar-Kategorie für die beste Regie nominiert ist. Emma Stones Einleitung kam dagegen mehr wie ein verbaler Vorschlaghammer daher. Aber was soll’s? Es war das Jahr der Frauen.
Nicht nur wegen Weinstein und #Metoo, sondern eben auch wegen Box-Office-Erfolgen wie WONDER WOMAN. Und diese Tendenz scheint sich fortzuführen, denn Gerwigs Coming-of-Age-Dramödie hat bereits das Siebenfache des 10 Millionen Dollar-Budgets wieder eingespielt. Dabei gelingt es Gerwig eine sympathische Geschichte zu erzählen, ohne dabei auf die gängigen Teenagerfilm-Klischees zurückzugreifen. Das Mädchen bekommt am Ende nicht den Jungen und ist trotzdem zufrieden. Der Mythos des ersten Sexes wird entzaubert. Nicht alle zerbrochenen Beziehungen sind am Ende wieder gekittet und auch das ist in Ordnung.
Von Müttern und Töchtern
Doch nicht nur das Drehbuch überzeugt. Das Ensemble ist durch die Bank weg fantastisch besetzt. Saoirse Ronan zeigt abermals, was für eine fantastische Schauspielerin sie ist. Die Verletzlichkeit und Ehrlichkeit ihre Rolle haben ihr abermals eine Oscar-Nominierung eingebracht – zu Recht. Laurie Metcalf, die bereits in THE BIG BANG THEORY als Mutter des neunmalklugen Sheldon Cooper zu sehen war, darf hier aufs Neue maßregeln, kümmern, die Augen rollen und den Laden zusammenhalten. Auch wenn der Film eigentlich das schwierige Mutter-Tochter-Verhältnis verhandelt, geben sich die Herren der Schöpfung keine Blöße:
die potenziellen Boyfriends Lucas Hedges und Timothée Chalamet spielen dreidimensionale Figuren und sind großartig besetzt. Für beide Schauspieler scheint das letzte Jahr ein sehr erfolgreiches gewesen zu sein. Hedges kennt man als Filmsohn von Frances McDormand aus THREE BILLBOARDS, während Chalamet in CALL ME BY YOUR NAME begeisterte. Absoluter Kracher ist auch Stephen Henderson (FENCES), der in seiner Doppelfunktion aus Schauspielcoach und Pfarrer die Lachmuskeln ordentlich strapaziert. Gerwigs Debüt hätte im letzten Drittel durchaus noch etwas knackiger erzählt werden können. Alles in allem ist es aber ein gelungener Film über das Erwachsenwerden.
5/6 bzw. 8/10
Trailer: © Universal Pictures Germany
5 thoughts on “Lady Bird (O, 2017)”