Herr Puntila und sein Knecht Matti (2025)

Im Burgtheater war ich abgesehen vom Foyer noch nie. Und Brechts Klassiker HERR PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI ist mir bislang auch noch nicht untergekommen. Und Bildungslücken existieren ja nur, um sie zu schließen. Die Handlung des Stücks dreht sich um den Gutsbesitzer Puntila (Bruno Cathomas), der betrunken zum liebenswerten Menschenfreund wird und nüchtern zum eiskalten Kapitalisten mutiert. „Ein zurechnungsfähiger Mensch hat keinen Sinn für Freundschaft mehr“, philosophiert er und verlobt sich im Rausch gleich mit mehreren Arbeiterinnen. Sein Chauffeur Matti (Julia Windischbauer) durchschaut das Spiel seines Herrn. Puntilas Tochter Eva (Marie-Luise Stockinger) zweifelt an ihrer Verlobung mit dem Attaché (Felix Rech) und sucht Verbündete. Sie erkennt gemeinsam mit Matti, dass sie nicht primär unter Puntilas Alkoholproblemen, sondern vor allem unter den Regeln des Kapitalismus leiden.

Szenenbild aus HERR PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI - © Tommy Hetzel
© Tommy Hetzel

Streichquartett und Malerei

HERR PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI sieht wirklich toll aus. Die handgemalten Bühnenbilder wirken wie aus einer Wiener Kunstgalerie entliehen. Die Musik kommt nicht vom Band, sondern – wie man sich das bei einem Wiener Abend vorstellt – von einem Streichquartett, das neben der Bühne sitzt und das Geschehen in Echtzeit unterstreicht. Bei Bertolt Brecht dient Musik vor allem dazu, die Zuschauer zu distanzieren (Verfremdungseffekt) und zur kritischen Reflexion anzuregen anstatt sie zu verzaubern. Auch das setzt Regisseur Antú Romero Nunes in seinem Stück um. Zwischen den einzelnen Szenen gibt es Gesangseinlagen, die das Gesehene noch einmal zusammenfassen und/oder kommentieren. Die sind nicht immer klar zu verstehen, da man sich hier dazu entschieden hat, manche Figuren mit einer Art finnischem Akzent sprechen und singen zu lassen. So hatte ich dann doch an manchen Stellen Mühe zu verstehen, was hier gerade passiert.

Szenenbild aus HERR PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI - Puntila (Bruno Cathomas) - © Tommy Hetzel
Puntila (Bruno Cathomas) – © Tommy Hetzel

Personalien

Aktuell haben wir einen Arbeitnehmermarkt, in dem sich die meisten Beschäftigten ihren Job aussuchen können und Headhunter Hochkonjunktur erleben. Da wirkt dieser Klassiker von Bertolt Brecht ein bißchen aus der Zeit gefallen. Bruno Cathomas verkörpert Puntila mit enormer physischer Präsenz. Sein Spiel zwischen Trunkenheit und Nüchternheit überzeugt. Das gelingt besonders dann, wenn man Cathomas kleine und große Requisiten in die Hand gibt. So nutzt Regisseur Antú Romero Nunes visuelle Elemente um Machtstrukturen zu verdeutlichen. Besonders eindrucksvoll: Puntila steht auf einer fahrbaren, höhenverstellbaren Hebebühne und redet von oben herab um seine Machtposition auch visuell zu demonstrieren. Julia Windischbauer überzeugt als Matti mit feinen Nuancen und subtiler Körpersprache. Zahlreiche Komparsen unterstützen das Ensemble und verkörpern wechselnd Puntilas Vieh oder die Knechte auf dem Markt. Trotzdem sind die meisten Figuren nicht sonderlich sympathisch. Während Puntila betrunken über die Bühne torkelt, schreit Tochter Eva (Marie-Luise Stockinger) häufig recht hysterisch herum.

Szenenbild aus HERR PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI - Matti (Julia Windischbauer) - © Tommy Hetzel
Matti (Julia Windischbauer) – © Tommy Hetzel

Brechts politische Botschaft im Hintergrund

Brechts marxistisch geprägte Gesellschaftskritik hat Nunes zwar nicht komplett ignoriert, aber sie tritt in der verspielten und unterhaltsamen Inszenierung zurück. Das Hegelsche Paradox von Herr und Knecht kommt etwas zu wenig heraus.

Exkurs für alle Nichtphilosophen: Gibt es einen Herren und einen Knecht, dann scheint es von außen so, dass der Herr einen Vorteil hat, da er über den Knecht herrscht. Das Gegenteil ist aber der Fall, da der Knecht freier ist als sein Herr. Der Herr bekommt keine echte Anerkennung mehr, weil der Knecht ihn nicht mehr als gleichwertigem Menschen begegnet – er gehorcht nur aus Angst und/oder (finanzieller) Abhängigkeit. Der Knecht dagegen entwickelt sich weiter, weil er durch seine Arbeit die Welt verändert und sich darin selbst erkennt. Er lernt, wie die Welt funktioniert, wird klüger, unabhängiger.

Das kommt in dem Stück nicht besonders stark heraus, da sich Nunes mehr auf die komödiantischen Aspekte der Vorlage konzentriert. HERR PUNTILA UND SEIN KNECHT MATTI ist auch durchgehend witzig und unterhaltsam. Diese Mischung funktioniert größtenteils hervorragend, lässt jedoch manche Botschaften im allgemeinen Gewirr untergehen. Die knapp unter drei Stunden inklusive einer Pause vergehen recht schnell, dennoch gab es gegen Ende dann doch ein paar kleinere Längen.

Gesehen am 20.04.2025 im Burgtheater Wien

7.5/10

Bewertung: 7.5 von 10.

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