Phoebe Waller-Bridge ist ganz schön umtriebig. In FLEABAG ist sie nicht nur Schauspielerin, nein, sie ist auch die Autorin ihres eigenen Theaterstücks, das Waller-Bridge für Amazon zur Mini-Serie adaptierte. Die junge Frau (Phoebe Waller-Bridge), die Fleabag genannt wird (deutsch “die Absteige”), hat sich gerade von ihrem On-Off-Freund Harry (Hugh Skinner) getrennt und versucht erfolglos eine Finanzierung für ihr Café zu bekommen. Mit Sex oder Selbstgesprächen versucht sie sich bei Laune zu halten. Ihre Familie ist der Zynikerin auch keine Hilfe. Vor allem ihre erfolgreiche Schwester Claire (Sian Clifford) stellt sie immer wieder in den Schatten. Ihr Vater (Bill Paterson) ist nach dem Tod seiner Frau mit Fleabags Patentante, einer extrovertierten Künstlerin (Olivia Colman), zusammen, die es immer wieder schafft, sich bei den beiden Schwestern unbeliebt zu machen.
Perspektive Teil 1 oder: Die vierte Wand
Es scheint wohl inzwischen wieder in Mode gekommen sein, dass in Serien und Filmen die vierte Wand durchbrochen wird. HOUSE OF CARDS und DEADPOOL sind da wohl die bekanntesten Beispiele. Auch in FLEABAG teilt uns die Protagonistin aufrichtig und offen ihre innersten Gedanken mit. Diese Gedanken werden aber direkt in das Geschehen eingebunden. Innere Gedanken und geäußerte Aussagen finden also in der gleichen Szene statt. Lediglich der Blick in die Kamera deutet an, dass es sich um die eigene, ehrliche Meinung handelt. Das ist besonders unterhaltsam in Momenten, in denen Fleabag die Contenance wahren muss, aber innerlich eigentlich ausflippen möchte. Der Blick in die Kamera macht den Zuschauer zum Komplizen und hilft dabei Fleabag besser zu verstehen, denn einfach gestrickt ist diese Hauptfigur wahrlich nicht. Auch die Flashbacks, die punktuell zum Tragen kommen, sind innere Bilder, die Fleabag belasten. Ihre Bedeutung erkennt man erst, wenn man alle Folgen gesehen hat.
Frauenrollen in allen Facetten
Die Serie greift auch immer wieder das Thema “Frauen” auf, wenn auch nur in unterschwelliger Form. Dennoch durchzieht es die Staffel wie ein roter Faden: So besuchen Fleabag und Claire feministische Vorträge und werden aufgrund einer erblichen Vorbelastung der Mutter regelmäßig auf möglichen Brustkrebs gecheckt. Claire und Fleabag besuchen in einer Folge auch ein Schweigeseminar für Frauen, während auf dem Gelände ein anderer Kurs für Männer abgehalten wird, bei dem Männer lernen sollen sich lautstark gegen Frauen zu behaupten. Das Spiel mit den Geschlechterrollen macht großen Spaß. Begeistert hat mich auch eine Vielzahl an unkonventionellen Frauenrollen. Von der unglücklichen Karrierefrau über die überengagierte Künstlerin zur chaotischen Lebenskünstlerin ist alles dabei.
Olivia und Phoebe in Höchstform
Das bringt dann auch direkt zu den Schauspielern. Phoebe Waller-Bridge ist einfach großartig. Diese Mischung aus zynischer Stärke und Verwundbarkeit macht sie einfach zu einer tollen Frauenfigur. Doch auch das restliche Casting ist mehr als nur gelungen. Sian Cliffords Claire bildet einen tollen Gegenpol zu Phoebes Fleabag. Die Chemie zwischen den beiden lässt sich nicht bestreiten. Ich möchte mich in aller Form auch dafür bedanken, dass im Gegensatz zum Theaterstück die Rolle der Patentante ausführlicher erklärt wurde. Mit Olivia Colman ist diese auch überraschend gut besetzt. Überraschend deshalb, weil ich nie gedacht hätte, dass es diese grundsympathische Schauspielerin schaffen würde, dass ich ihre Rolle echt grauenhaft finde. Aber doch: hinter diesem demonstrativ aufgesetzten Lächeln ihrer Figur verstecken sich meistens irgendwelche Gemeinheiten. Die erste Staffel war mir mit ihren sechs Folgen (jeweils ca. 23-28 Minuten lang) etwas kurz, allerdings haben die einzelnen Folgen genügend Inhalt um Lust auf die nächste Folge zu machen.
5/6 bzw. 8/10
FLEABAG kann man aktuell auf Amazon Prime ansehen. Die erste Staffel gibt es auch auf DVD, allerdings nur als UK Import ohne deutsche Synchronisation.
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