Im Residenztheater München gibt es wieder ein neues Zoom-Theaterstück. Wie der Name FINSTERNIS schon vermuten lässt, ist das Thema kein einfaches oder leichtes. Robert Dölle spielt hier den italienischen Schriftsteller Davide Enia, von dem nicht nur der Text stammt, sondern der sich selbst und auch seine Geschichte zum Thema des Stücks macht. Enia wird von seinem Kollegen Albert Ostermaier zu einem Literaturfest in München eingeladen. Er soll einen Text mitbringen. Enia beschließt einen Text über Flüchtlinge zu schreiben und reist zusammen mit seinem schweigsamen Vater zu Recherchezwecken auf die Insel Lampedusa. Er erzählt von ehrenamtlichen HelferInnen, von der Küstenwache, von Rescue Divern, von Friedhofswärtern und von Onkel Beppe, der im Sterben liegt und immer wieder anruft.
Harter Tobak vor der Küchenzeile
Es ist ein einfaches Setting. Eine kleine Küchenzeile aufgebaut auf der Probebühne vom Residenztheater. Und auf diese alltägliche, heimelige, unschuldige Umgebung aus dampfendem Espressokocher und Orangenmarmelade in Gläsern trifft der autobiografische Text von Davide Enia. Und der hat es in sich. Enia erzählt in FINSTERNIS von einzelnen Begegnungen auf seinen Recherchereisen und beschreibt in einer derart bildhaften Sprache, dass man das ganze Elend vor dem geistigen Auge sehen kann. Robert Dölle lässt zwischen den einzelnen Passagen auch immer wieder lange Pausen. Die braucht es auch, denn die Bilder im Kopf und die Gefühle, die man dabei hat, brauchen ihren Raum.
Erschöpfung
Beim anschließenden Publikumsgespräch sahen die anderen ZuschauerInnen und auch ich sehr müde aus. Die eine Stunde, die das Stück dauert, fühlte sich auch irgendwie länger an. Der Text erschöpft. Nicht, weil er besonders anspruchsvoll wäre, sondern, weil das nüchtern Aufgezählte einfach so weh tut. Dass Robert Dölle ein toller Erzähler ist, brauche ich wahrscheinlich gar nicht extra lobend zu erwähnen. Man hängt wirklich die ganze Zeit an seinen Lippen (wer gute Kopfhörer besitzt, sollte die in diesem Fall unbedingt benutzen.). Einziger Wermutstropfen war für mich die Technik. An dem Abend, an dem ich das Stück gesehen habe, gab es eine leichte Asynchronität bei Ton und Bild. Das ist aber wirklich Jammern auf hohem Niveau. Ansehen!
Enia hat den Monolog aus seinem Roman → „Schiffbruch vor Lampedusa“ heraus für die Bühne adaptiert. Gesehen am 28.02.2021 via Zoom.
9.5/10
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