Drei Schwestern

Drei Mal habe ich die DREI SCHWESTERN schon in voller Länge geguckt, 3sat sei Dank. Dort kam man nämlich auf die großartige Idee das Stück 2017 zum Berliner Theatertreffen aufzuzeichnen. Aber ich wollte das Simon-Stone-Stück unbedingt noch einmal live sehen. Gelegenheit dazu hat man momentan im Residenztheater in München. Die drei Schwestern Olga (Barbara Horvath), Mascha (Franziska Hackl) und Irina (Liliane Amuat) sowie Bruder Andrej (Nicola Mastroberardino) treffen sich zusammen mit ihren Lebensgefährten und Freunden im schicken Haus des Vaters um Irinas Geburtstag zu feiern. Die Asche des Vaters wollen sie verstreuen, doch dazu kommt es nicht. Der Haussegen hängt mächtig schief. Vor der Tür steht plötzlich der Nachbar Alexander (Elias Eilinghoff) mit dem Mascha schließlich eine Affäre beginnt. Ihr Ehemann Theodor (Michael Wächter) bekommt das zwar mit, äußert aber nicht seinen Unmut darüber. Auch die Beziehung von Irina und Nikolai (Max Rothbart) ist in einem Ungleichgewicht. Andrej wird von seiner Frau Natascha (Cathrin Störmer) verlassen und die gemeinsamen zwei Kinder nimmt sie gleich mit.

Szenenbild aus DREI SCHWESTERN - Residenztheater München - In der Küche © Sandra Then
© Sandra Then

Gleichzeitig

Natürlich kann man fragen: Warum schaut man sich das gleiche Stück immer und immer wieder an? 1. Es ist sehr sehr gut. 2. Es ist sehr sehr lustig. Und 3. Dank dem sich drehenden Haus, gibt es immer wieder neue Dinge zu entdecken. Das Bühnenbild von Lizzie Clachan ist wirklich großartig. Und ich liebe dieses stylische Haus. Häufig passiert in verschiedenen Räumen gleichzeitig etwas, wodurch man sich selbst heraussuchen kann, welchen Handlungsstrang man weiter verfolgen möchte. Auch die Musik kommt in DREI SCHWESTERN nicht zu kurz. Das Klavier, das im Wohnzimmer steht, ist nicht nur dekoratives Möbelstück, sondern auch Treffpunkt zum „Klavier-Karaoke“. Man versammelt sich, einer spielt und alle singen.

Szenenbild aus DREI SCHWESTERN - Residenztheater München - © Sandra Then
Das Wohnzimmer – © Sandra Then

Erstklassige Besetzung

Wie ich ja bereits in meinem Text zu HOTEL STRINDBERG geschrieben habe, mag ich das, was ich bislang von Simon Stone gesehen habe, ausgesprochen gut. Daher werde ich mich mit den begeisterten Kommentaren zu Regie und Text an dieser Stelle zurückhalten, obwohl Lob und Anerkennung in diesem Fall natürlich durchaus berechtigt sind. Zudem: ein Text in dem Worte wie „Spiegel Online App“ und Namen wie Kim Kardashian vorkommen, kann nicht schlecht sein. 😉 Was ich an dem Stück so mag, ist die Tatsache, dass jeder Schauspieler seinen ganz eigenen Moment zum Glänzen bekommt. Und dass die Schauspieler auch alle durch die Bank so gut sind, diese Momente voll auszukosten. Das macht auch beim vierten Mal noch Spaß. Ich ärgere mich jedes Mal über Natascha, die ihrem Ex-Mann an den Kopf knallt, dass der eventuell nur von einem seinem zwei Kinder tatsächlich der leibliche Vater sein könnte. Cathrin Störmer schafft es wirklich jedes Mal (und das schließt auch die drei Male zuvor schon ein), dass ich mich über Natascha aufrege und plötzlich eine große Wut auf diese Frau entwickle – und ich liebe es. Auch ihre hohe, quietschende Stimme, die auch in der Pause in der Reihe vor mir für Gesprächsstoff sorgte („Wie kriegt man das denn so hin?“) tut da ihr Übriges.

Szenenbild aus DREI SCHWESTERN - Residenztheater München - Natascha (Cathrin Störmer) und Andrej (Nicola Mastroberardino) - © Sandra Then
Natascha (Cathrin Störmer) und Andrej (Nicola Mastroberardino) – © Sandra Then

Packendes Finale

Ich liebe aber auch Barbara Horvaths Olga, die blitzschnell und keuchend durch das ganze Haus rennt und ihren Schwestern Vorwürfe zu ihren Lebensentwürfen macht. Noch so ein Lieblingsmomente-Fabrikant ist Michael Wächter, der mich nicht nur mit den sarkastischen Onelinern unterhalten hat, sondern im letzten Drittel in wenigen Momenten von Enttäuschung über unterdrückte Wut zu Schock springt. 2017 gab’s dafür den Alfred-Kerr-Darstellerpreis und das Prädikat “Nachwuchsschauspieler des Jahres”. (Ich könnte jetzt so weitermachen und über jedes Ensemblemitglied irgendwas Nettes sagen, aber aus Zeitgründen lasse ich das.) Die DREI SCHWESTERN reißen mich einfach jedes Mal mit. Und damit war ich wohl nicht alleine. Am Ende war einfach alles still. Im Residenztheater hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Keiner hat sich getraut zu klatschen. Da saßen hunderte Menschen im Dunkeln und rührten sich nicht. Oder vielleicht haben alle einen Moment gebraucht um sich kurz zu erholen. Der Schlussapplaus ebbte jedenfalls minutenlang nicht ab. Und das Grinsen auf meinem Gesicht ging auch so schnell nicht wieder weg. Wer also noch eine Theaterbegleitung für dieses Stück sucht, kann sich gerne an mich wenden: ich komme gerne nochmal mit.

Gesehen am 11. November 2019 im Residenztheater München.

© Residenztheater München

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