Es ist doch immer wieder erstaunlich, was Film so alles leisten kann, wenn man mal von der Profitgier der Studios und dem ewigen Streben nach Unsterblichkeit aller Beteiligten absieht. In Thailand wurden jüngst → fünf Studenten festgenommen, weil sie den Filmgruß aus THE HUNGER GAMES in der Öffentlichkeit zeigten. Die drei ausgestreckten Finger stehen im Distrikt 12 für Dank, Respekt und für einen Abschiedsgruß, werden aber im Laufe der Revolution immer mehr zum Zeichen des Widerstands. Nun kommt der dritte Teil der Bestsellerverfilmung von Suzanne Collins in die Kinos und befeuert die realen Revolutionen zusätzlich. Die Geschichte vom CATCHING FIRE wird nahtlos weitererzählt. Nachdem Katniss (Jennifer Lawrence) von den Rebellen um Spielmacher Plutarch (Philip Seymour Hoffman) gerettet und in das angeblich komplett zerstörte Distrikt 13 gebracht wurde, wird ihr kaum Zeit zur Regeneration gelassen. Die Präsidentin aus 13 Alma Coin (Julianne Moore) möchte Katniss zur Ikone der Revolution gegen die Herrschaft des Kapitols machen, doch die ist mit den Gedanken bei ihrer Familie und Peeta Mellark (Josh Hutcherson), der vom Kapitol gefangen genommen und für Propagandazwecke instrumentalisiert wurde. Im Austausch für Peetas Befreiung und Straffreiheit willigt sie dann aber ein. Unterstützt von alten Freunden wie Gale (Liam Hemsworth), Beetee (Jeffrey Wright), Haymitch (Woody Harrelson), Effie Trinket (Elizabeth Banks) und Finnick Odair (Sam Claflin) zieht Katniss in den Kampf gegen das Kapitol.
Nieder mit dem Kapitol! – Teil 1
Der etwas holprige Start in den Film sorgt für die gleiche Desorientierung wie bei Katniss. Es ist unklar wo sich Katniss gefindet und die Personen, die sie trifft, erwecken wenig Vertrauen. Man bekommt den Eindruck, das die Spiele noch nicht vorbei sind. Katniss stürzt sich weiterhin in jeden sich ihr bietenden Kampf, gleichzeitig schwächt sie aber das Gezerre um ihre Person stark. Die Zerissenheit und Heterogenität ihrer Figur zu verkörpern, gelingt Jennifer Lawrence gewohnt fantastisch. Katniss vertraut hauptsächlich ihrem Bauchgefühl, was auch dazu führt, dass sie nach objektiven Kriterien unlogische Entscheidungen trifft. Aber genau das macht die Authentizität von Katniss aus. Sie ist keine unsterbliche Heldin, sondern ein emotionaler Mensch; und das wird zu jedem Zeitpunkt des Films betont. Die gewohnten Freunde und Unterstützer um sich zu haben und die Suche nach Peeta treiben sie an. Wenige Auftritte haben der inzwischen ausgenüchterte Haymitch und die ihrer Mode nachtrauernden Effie. Eigentlich war die Autorin der Buchverlage dagegen, sie in MOCKINGJAY auftauchen zu lassen. Glücklicherweise konnte sie der Regisseur vom Gegenteil überzeugen und so sorgen Haymitch und Effie für die wenigen, aber gut getimten Lacher im Film. Josh Hutcherson als Peeta spielt im Vergleich zu den vorherigen Teilen überragend. Man sieht ihm den Schmerz an, den man ihm im Kapitol bereitet und der geistesabwesende Blick jagt dem Zuschauer einen Schauer über den Rücken.
Kriegspropaganda im Vordergrund
Interessant ist, das es zum ersten Mal um Kriegspropaganda geht. Die Revolutionäre nutzen dafür Katniss eigentlich permanent aus. Passenderweise bekommen sie dafür auch die Rechnung, weil Katniss keine Schauspielerin ist und ihr die Parolen nur schwer über die Lippen gehen. Erst Haymitch bringt die Kampagne voran, weil er Katniss und ihre Stärken gut kennt. Präsidentin Coin und Plutarch sehen die Dinge erschreckend nüchtern. Auch wenn beide behaupten, sie hätten Verständnis für Katniss nimmt man es ihnen nie ab. Hier fällt Julianne Moore auf, die gegen die geballte Schauspielgewalt ihrer Kollegen wenig entgegensetzen kann. Direkt schlecht spielt sie nicht, zeigt aber im direkten Vergleich kleinere Schwächen im Spiel, wie übrigens auch Liam Hemsworth. Die Geschichte nimmt sich die Zeit auch auf interessante Details einzugehen, wie beispielsweise Präsident Snows Vornamen. Wer das gleichnamige Theaterstück von Shakespeare kennt (Coriolanus), sieht die Verbindung: Beide Figuren sind machthungrige Bestimmer. Zudem offenbart Finnick in einer packenden Rede, wie er vom Kapitol missbraucht wurde, indem er nach seinem Sieg an wohlhabende Einwohner verkauft wurde. Gegen Ende hat der Film einige Längen, die aber leicht zu verkraften sind.
„The Hanging Tree“
Die Musik stammt wie gewohnt von James Newton Howard. Manchmal ist sie dominanter, machmal devoter, aber insgesamt unterstreicht der Soundtrack die Stimmung des Films. Auch das Stück „The Hanging Tree“, eine Mischung aus Gesangs- und Instrumentalstück, gesungen von Jennifer Lawrence, ist sofort ein Ohrwurm. Natürlich kann man ihr vorwerfen, das sie keine Profisängerin ist, aber das braucht es auch gar nicht, denn es geht hier um Authentizität. Gewidmet ist der Film Philip Seymour Hoffmann, der Anfang diesen Jahres verstarb. Francis Lawrence gelingt es dank seinen tollen Schauspielern die Geschichte voranzutreiben und einen guten Einblick in die handelnden Figuren zu geben. Er macht Lust auf das große Finale, welches ab 19. November 2015 in den deutschen Kinos zu sehen sein wird.
Großartig, aber einen Tick zu lang (5.5/6)
© Studiocanal
wir haben diesen Film gestern Abend auch gesehen, hervorragende Darstellung der Handlung und Charaktere, die ich genauso auch empfunden habe!
Endlich mal wieder jemand, der meine Begeisterung für diesen Teil teilt!