Jedes Mal, wenn ein neuer Film mit Emma Thompson in die Kinos kommt, ist das für mich Pflichtprogramm. Schon als ich den Trailer zu KINDESWOHL (OT: THE CHILDREN ACT) zum ersten Mal gesehen habe, war ich schon wieder von ihr verzaubert. In der Romanverfilmung von Richard Eyre spielt sie die Familienrichterin Fiona Maye. Maye ist Vollblut-Richterin, was zur Folge hat, dass sie ihren Mann, den Geschichtsprofessor Jack (Stanley Tucci) kaum noch zu Gesicht bekommt. Jack droht ihr an eine Affäre anzufangen, wenn sich nichts ändert. Fiona droht ihrerseits mit der Scheidung sollte das geschehen. Die Lage ist verzwickt. Mitten in dieser privaten Krise muss Fiona einen neuen Fall verhandeln. Der 17-jährige Adam (Fionn Whitehead) hat Leukämie. Er weigert sich aber, die Bluttransfusion anzunehmen, die sein Leben retten würde, weil seine Eltern und er Zeugen Jehovas sind. Fiona soll entscheiden, ob Adam, der in drei Monaten volljährig wird, gezwungen werden soll, die Bluttransfusion anzunehmen.
Emma und Stanley – eine Traumbesetzung
Zunächst ein, zwei Worte zur Besetzung von KINDESWOHL. Emma Thompson brilliert in dieser Rolle über alle Maßen und empfiehlt sich damit für die kommende Oscar-Saison. Es ist schon fantastisch, wie sie dieses unnahbare Arbeitstier spielt, dem man gleichzeitig aber – durch die Kamera und die Geschichte – sehr nah kommt. Auch Stanley Tucci als herrlich direkter Ehemann ist absolut fantastisch. Jedes Augenrollen, jedes Seufzen ist auf den Punkt gebracht. Gerne hätte ich noch mehr von den beiden gesehen, denn Thompson und Tucci haben eine großartige Chemie miteinander. Als dritter im Bunde gesellt sich noch Fionn Whitehead zu dem Trio. Die meisten werden ihn noch aus Nolans DUNKIRK kennen. Die Sturheit und den Enthusiasmus der Jugend verkörpert er ohne ins Klischeehafte abzudriften.
Einfache Lösungen gibt es nicht
Die ruhige, aber beständig fordernde Erzählweise von KINDESWOHL passt wunderbar zu seiner Hauptfigur. Gleiches gilt auch für den Soundtrack. Da Fiona Klavier spielt und sogar ein eigenes Klavier in ihrer Wohnung stehen hat, passt dazu natürlich auch ein klavierlastiger Soundtrack. Stephen Warbeck unterstreicht das gefühlvolle Spiel und die ruhige Handlung ohne langweilig zu wirken. Richard Eyre und auch Ian McEwan – hier in Doppelfunktion als Autor der Romanvorlage und Drehbuchautor – bieten keine einfachen Lösungen an. Genau wie die Familienrichterin Fiona muss sich der Zuschauer ein Bild über die Lage verschaffen, wobei alle Lager ihre berechtigten Standpunkte vertreten. Die Abwägung und das abschließende Urteil übernimmt der Zuschauer. Doch genauso schwierig wie es ist, über das Leben oder den Tod von siamesischen Zwillingen zu entscheiden, so gibt es auch einige Szenen in THE CHILDREN ACT, die schwierig zu entschlüsseln sind. Der Film stellt Fragen der Moral ohne Antworten vorzugeben. Für mich einer der besten Filme des Jahres.
5.5/6 bzw. 9/10
Trailer: © Concorde
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