Ich weiß nicht, wie Matthew Vaughn das jedes Mal macht. Schon der erste KINGSMAN-Film sorgte bei mir für ein gebroches Herz, das dem überraschenden Filmtod einer Figur geschuldet war. Es mochte nicht ganz passen, dass ich bei diesem Haudrauf-Klopper-Actionfilm Empathie für eine Filmfigur hatte. Recht schnell wurde aber klar, Colin Firth kehrt von den Toten zurück. Das hat den Schock rückwirkend wieder etwas gemildert. Doch jetzt komme ich aus dem Kino und bin wieder fix und fertig, weil Vaughn wieder eine Figur getötet hat, die ich sehr ins Herz geschlossen habe. Und dieses Mal scheint der Tod wohl permanent zu sein. Aber erstmal der Reihe nach: „Eggsy“ (Taron Egerton) und Merlin (Mark Strong) sind nach einem Anschlag auf das Kingsman-Hauptquartier und die Wohnungen einzelner Agenten die einzigen Überlebenden. Ohne Ressourcen, Unterstützung und Gadgets sind sie völlig auf sich allein gestellt.
Glücklicherweise erfahren sie von einer anderen Spionageagentur, die sich allerdings in Kentucky befindet. Dort angekommen treffen Sie auf den Leiter der Organisation Statesman Agent Champagne (Jeff Bridges) und seine Topagenten Ginger (Halle Berry), Tequila (Channing Tatum) und Whiskey (Pedro Pascal). Die Hilfe der amerikanischen Kollegen wird dringend nötig als die skrupellose Drogenbaronin Poppy Adams (Julianne Moore) sich in einer Videobotschaft an den Präsidenten der Vereinigten Staaten wendet und enthüllt, dass sie verschiedene Formen von Drogen mit einem langsam wirkenden Gift versehen hat, das Symptome auf vier verschiedenen Stufen zeigt. Gleichzeitig bietet sie ein Gegenmittel für die Infizierten an, wenn der Präsident alle Drogen legalisiert und ihrer Firma Immunität zusichert.
Ein Kingsman kehrt zurück
Nicht das Logik für diese Art Film wichtig wäre, aber die Rückkehr von Harry Hart, Eggsys Mentor, ist wirklich haarsträubend erzählt. Aber ich will mich gar nicht groß beschweren, denn ich bin ja froh, dass Colin Firth überhaupt wieder in die Garde der britischen Gentlemen-Spione zurückkehrt.
Harry ist nach seiner Rehabilitierung nicht wieder komplett der Alte. Er hat mit einer Koordinationsschwäche und Halluzinationen zu kämpfen, doch das macht seine Rückkehr ungemein sympathisch. Die Antagonistin Poppy, gespielt von Julianne Moore, hat ganz offensichtlich eine Schwäche für Elton John. Der spielt dieses Mal auch in einer Nebenrolle mit. Bereits für den ersten KINGSMAN-Film wurde er angefragt, doch damals hatte er noch abgesagt. Hier bekommt er nicht nur durch seine persönliche Anwesenheit, sondern auch durch zahlreiche Easter Eggs ein filmisches Denkmal gesetzt.
Mehrere Kingsman treten ab
Viele Kingsman werden aus narrativen Gründen zu Filmbeginn durch einen gezielten Angriff ausgelöscht. Die neuen Gesichter, wie etwa Michael Gambon als neuer Kingsman-Chef, sind dadurch nicht lange im Bild. Darum hat man auch wenig Bezug zu diesen Figuren. Anders schaut es aber bei einem anderen Kingsman aus, der gegen Filmende ins Gras beißen muss und dezent in die Luft gesprengt wird. Matthew Vaughn schafft es abermals für Trauer um eine Filmfigur zu sorgen, die er vorher als sympathischen Publikumsliebling aufgebaut hat. Der Schauspieler, der diese Rolle spielt, hat auch in einem Interview zu Protokoll gegeben, dass der Film ursprünglich sogar noch eine zarte Liebesgeschichte für seine Figur enthielt, was den Tod noch dramatischer gemacht hätte. Doch auch ohne dieses emotionale Gewicht wirkt dieser Filmtod unfassbar herzzerreißend und ließ mich sprachlos zurück.
Visuelles Storytelling
Die komplette Handlung ist voller Logiklöcher und ergibt somit nicht immer Sinn. Das macht aber überhaupt nichts. Wie schon der Vorgänger ist KINGSMAN: THE GOLDEN CIRCLE eine quietschbunte James-Bond-Parodie, die weniger Wert auf Substance und mehr auf Style legt. Die wenigen Frauenrollen beschränken sich ebenfalls auf Bond-Klischees: die durchgeknallte Irre, die sexwillige Sexbombe, die nerdige Agentin und natürlich die Freundin, die nebenbei noch Prinzessin ist.
Der Film ist stellenweise sehr absurd, aber wer sich auf diesen No-Brainer einlässt, wird mit packenden Kämpfen und atemberaubenden Locations belohnt. Leider ist die Kamera in den Actionszenen teilweise enorm verwackelt, sodass man überhaupt nicht erkennt, was gerade passiert. Auch wenn Vaughn manchmal zur Zeitlupe wechselt, bleibt das Kampfgeschehen häufig unübersichtlich. KINGSMAN 3, der geplante Abschluss der Trilogie, ist derweil in Planung. Regisseur und Drehbuchautor Matthew Vaughn hat schon erste Szenen fertiggeschrieben. Vielleicht erfindet Vaughn ja auch noch ein High-Tech-Mittelchen mit dem man explodierte Körper zusammenflicken kann. Ich würde mich freuen.
4.5/6 bzw. 7.5/10
Trailer: © 20th Century Fox
Ich glaube, ich werde den Film ähnlich bewerten. Was ich bei dieser Reihe am erstaunlichsten finde, ist das, was du auch anmerkst: Bei all dem übertriebenen Action-Quatsch gehen dir plötzlich Dinge so nahe, dass dir Tränen in den Augen stehen, I’ll miss him too!