Pixar ist und bleibt einfach ein Erfolgsmagnet. Einen schlechten Film haben die Macher von MERIDA, WALL•E und FINDET NEMO bisher noch nicht gemacht. Umso erschreckender ist der Vorfilm von ALLES STEHT KOPF. Der Kurzfilm LAVA ist nämlich nicht nur inhaltlich schwach – es geht um einen einsamen Vulkan, der gerne eine Freundin hätte – , sondern auch der dazugehörige → ukulelenlastige Song, ohne den man leider nicht die Handlung verstehen kann. Hat man den dann endlich überstanden, dann beginnt im wahrsten Sinne die Freude.
Wenn die Gefühle verrückt spielen
Im Verstand der elfjähigen Riley (Stimme von Kaitlyn Dias) geht es rund. Fünf Emotionen sind mit Hochdruck bei der Arbeit. Angeführt werden sie von der unbeschwerten Optimistin Freude (Stimme von Amy Poehler), die dafür sorgen will, dass Riley immer glücklich ist. Die Angst (Stimme von Bill Hader) sorgt sich um ihre Sicherheit, die Wut (Stimme von Lewis Black) sorgt dafür, dass alles immer gerecht abläuft, und Ekel (Stimme von Mindy Kaling) kümmert sich um die körperliche und mentale Unversehrtheit. Kummer (Stimme von Phyllis Smith) dagegen ist sich unschlüssig, was ihre Aufgabe ist. Freude empfindet Kummer als regelrechten Stimmungskiller und möchte den Kummer am liebsten von der Kommandozentrale verbannen. Als eines Tages plötzlich Kummer am Behältnis mit den Kernerinnerungen herumspielt, die Rileys Persönlichkeit definieren, fliegen plötzlich nicht nur die Kugeln durch den Raum sondern auch Freude und Kummer. Beide werden mitsamt der Kugeln aus der Schaltzentrale ins Langzeitgedächtnis katapultiert. Wut, Ekel und Angst sind nun allein in der Zentrale und versuchen Freude so gut es geht zu ersetzen, was allerdings nicht ganz gelingt. Zeitgleich fallen die Persönlichkeitsinseln, die eigentlich mithilfe der Kernerinnerungen betrieben werden, einzeln nacheinander in sich zusammen. Freude und Kummer müssen also zusammenarbeiten um wieder in die Schaltzentrale zu kommen und die Kernerinnerungen in die Apparatur einsetzen um Rileys Persönlichkeit zu retten.
Die Komplexität der ganzen Thematik übersteigt alles, was Pixar bisher abgeliefert hat. Leicht gemacht haben es sich die Macher sicherlich nicht, denn nicht nur die Gefühle bekommen ein Gesicht sondern auch das Langzeitgedächtnis, Fantasie, logisches Denken, die Traumfabrik (selbstironische Anspielung auf Hollywood) und das Vergessen. In Zusammenarbeit mit Hirnforschern und Psychologen wurde überlegt, wie viele Gefühle Riley überhaupt haben sollte, denn es gibt Psychologen, die annehmen, dass es bis zu 27 Emotionen gibt (z.B. auch Schadenfreude, Überraschung oder Stolz). Positiv ist auch zu werten, dass hier das Älterwerden eines Mädchens dokumentiert wird (siehe hierzu auch → das hohe „Where are the women“-Rating) und damit das animierte Äquivalent zu BOYHOOD bildet, auch wenn der betrachtete Zeitraum bei letzterem Film viel länger ist. Obwohl Freude oft die Kontrolle über die anderen Gefühlskollegen übernimmt, ist Kummer die eigentliche Hauptdarstellerin. Sprecherin Phyllis Smith ist großartig und liefert mit einer Null-Bock-Einstellung in der Stimme eine gute Grundlage für Lacher (Behind-the-Scenes: → Phyllis Smith, Beispielszene: → Long Term Memory).
Natürlich gibt es besonders pessimistische Zeitgenossen (wie z.B. wieder mal der Herr Professor → von der Filmanalyse), die behaupten, der Film propagiere das Ende des freien Willens, was man durchaus so sehen kann, aber wer so denkt, dessen Schaltzentrale wird hauptsächlich von Ekel und Kummer regiert. Soll heißen, der hat kein Herz für die schönen Dinge im Leben. Gegen Ende gibt es einen kurzen Moment, wo sich die Handlung etwas zieht, aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau. ALLES STEHT KOPF funktioniert in so vielerlei Hinsicht. Es ist cleveres Animationskino für Jung und Alt. Auch wenn die Macher → viel lieber eine neue Idee in die Kinos bringen wollen anstatt ein Sequel über die Pubertät von Riley zu animieren, so mag man eigentlich doch auf einen zweiten Teil hoffen.
Emotional und lustig (5.5/6 oder 9.5/10)
Trailer: © Disney Deutschland
Den will ich auch unbedingt noch sehen!
„…dessen Schaltzentrale wird hauptsächlich von Ekel und Kummer regiert“. Schöner Kommentar. 😉 Ich finde es auch merkwürdig zu meinen, dass der Film „den freien Willen“ in Frage stelle. Ich denke, dass sich das aus dem Film auch nicht ableiten lässt. Letztlich ein wirklich toller Film, der mir auch beim zweiten Mal anschauen noch wahnsinnig viel Spaß gemacht hat.