Ich habe mir ja testweise einen Monatsaccount von → NTatHome, dem Streamingservice des National Theatre, zugelegt. Ausschlaggebend war insbesondere ein Stück im Portfolio, das ich leider damals nicht im Kino sehen konnte: YERMA von Simon Stone. Yerma (Billie Piper) ist schon seit Jahren mit John (Brendan Cowell) zusammen und hätte am allerliebsten ein Kind von ihm. Doch John vertröstet sie immer wieder. Als ihre Schwester Mary (Charlotte Randle) schwanger ist, kommt das Thema wieder auf den Tisch. Yerma ist zunehmend enttäuscht von ihrem Mann. Da kommt es nicht ganz ungelegen, dass sie ihrem Exfreund Victor (John Macmillan) über den Weg läuft.
Tonstörung
Ich weiß nicht, was der Tontechniker von YERMA geraucht hat. Ich verstehe auch nicht, warum das sonst niemandem aufgefallen ist. Das Nervigste bei dieser Home-Variante war tatsächlich die Lautstärkenabmischung. Nach jedem Szenenwechsel – und es gibt einige davon – wird Musik und eine Texttafel eingeblendet. Die Musik ist plötzlich doppelt so laut wie der gesprochene Text, was dazu führt, dass man während dem Stream andauernd zur Fernbedienung greift um die Lautstärke nachzujustieren. Ein entspannter Theaterabend auf dem Sofa sieht anders aus. Ebenfalls nicht besonders hilfreich ist, dass der Text häufig überlagernd gesprochen wird, was dazu geführt hat, dass ich die Lautstärke lauter eingestellt hatte um alles zu verstehen. Wenn dann völlig aus dem Nichts ein Szenenwechsel kommt, fliegt einem die Musik um die Ohren.
Glas und Gras
Wer bereits das ein oder andere Simon-Stone-Stück (z.B. DREI SCHWESTERN) gesehen hat, wird sich über die Glasscheibe zwischen Bühne und Publikum nicht mehr wundern. Die transparente Abtrennung von Bühnengeschehen und Zuschauerraum gehört zum Konzept. Bis auf wenige Szenen ist das Bühnenbild sehr spartanisch. Bei einer Party hängen einfach nur farbige Lichterketten über der Bühne. Spielt die Handlung im Garten, ist der Boden grasbedeckt mit einem einsamen Bäumchen darauf. Mehr braucht es auch gar nicht. Wiederkehrendes Stilmittel ist das gleichzeitige Reden, meistens Anschreien, was es hin und wieder schwierig macht, das Gesagte zu verstehen. Auch wenn man bei einem Streit nicht alle Einzelheiten mitbekommen muss, ist das schnelle Aufeinandereinreden auf Dauer doch etwas ermüdend.
Chemie und Frauenpower
In dieser Inszenierung überzeugen – wenig überraschend – besonders die Frauen. Die Männer wirken schon fast wie Nebendarsteller. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass sie etwas eindimensional charakterisiert werden. Zudem haben Brendan Cowell und Billie Piper nicht diese – wie formuliere ich das jetzt? – „David-Tennant-Chemie“ (ihr wisst schon, → Rose und der Doctor am Strand…). Man leidet deshalb auch nicht so recht mit und versteht die Motivationen der beiden nicht immer. Yermas Schwester Mary (Charlotte Randle) und ihre Mutter (Maureen Beattie) und natürlich Billie Piper in der Titelrolle machen vieles davon wieder wett. Piper nimmt man die Wandlung von der quirligen Soon-to-be-Ehefrau zur Schwangerschaftsfanatikerin total ab.
4/6 bzw. 6.5/10
YERMA ist momentan (Stand: Februar 2021) im Streamingangebot von NTatHome enthalten.
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