Wenn die Corona-Krise etwas gezeigt hat, dann die Tatsache, dass das Theater selbst in Pandemie-Zeiten nicht totzukriegen ist. Auch wenn nicht alle Schauspielhäuser die gleiche Strategie fahren (manche zeigen schon wieder Stücke vor Publikum, andere zeichnen lieber noch vor leeren Stühlen auf). So gibt es trotzdem für das Publikum wieder etwas zum Anschauen – auch wegen neuer Ausspielwege. Das ehrwürdige Old Vic in London zeigte ihre virtuelle Weltpremiere THREE KINGS mittels Zoom. Protagonist des Stücks ist Patrick (Andrew Scott), der im Alter von acht Jahren überraschend Besuch von seinem abwesenden Vater bekam. Er erinnert sich wie sein Vater in einer kurzen, aber denkwürdigen Begegnung ihn auf eine Probe stellte. Wenn er das Rätsel mit den drei Königen, ein Münztrick, lösen könne, würde er wieder zu ihm zurückkommen. Jahre später zeichnet Patrick die Ereignisse im Leben seines Vaters nach und beschreibt die schmerzhaften Enttäuschungen.
Theater für zuhause – einschließlich technischer Probleme
THREE KINGS ist ein brandneues Stück, das extra für Andrew Scott geschrieben wurde und im Rahmen der Reihe „Old Vic: In Camera“ entstand. An den drei Tagen, an denen es lief (insgesamt waren es fünf Vorstellungen), wurde es in 72 Länder übertragen. Ziemlich beachtlich. Es dürfte sicher auch geholfen haben, dass Andrew Scott dank seiner Rolle in einer BBC-Krimiserie inzwischen ein Name ist, den man auch international auf dem Zettel hat. Der einstündige Monolog wurde von Scott auf der Old-Vic-Bühne vor leerem Zuschauerraum live eingespielt. Bis auf einige wenige Tonaussetzer oder eine langsame Internetverbindung funktionierte das Zoom-Screening einwandfrei.
Wechselbad der Gefühle
Grob gesagt: Es geht um Väter und Söhne. Und wie das distanzierte Verhalten eines Vaters auf den Sohn abfärbt. Immer wieder wechselt der Text die Richtung. Mal eine urkomische Anekdote, dann eine herzzerreißende Pointe hinterher. Andrew Scott ist ein meisterhafter Erzähler. Alle Rollen, wie etwa Patricks Vater und sein Bruder spielt er mit. Man hat häufig das Gefühl, man wäre in dem Moment, der gerade erzählt wird, leibhaftig dabei. Die Sprache ist sehr bildstark und eindrücklich. Das Bühnenbild als spartanisch zu bezeichnen, ist fast eine Übertreibung. Ein paar schwarze Sitzwürfel, drei Münzen, ein Fotobuch und ein ansonsten fast leerer Bühnenraum. Doch Andrew Scott gelingt es weitestgehend mit diesen wenigen Hilfsmitteln diesen Raum mit Leben zu füllen. Als das Stück mit einem tränenreichen Gebet endete und ich gedanklich wieder ins Wohnzimmer zurückgekehrt bin, war ich immer noch sehr ergriffen.
5/6 bzw. 8.5/10
Gesehen am 04.09.2020 bei → Singende Lehrerin zuhause. Theater bringt die Leute halt zusammen. 😉