Es kommt selten vor, dass ich im Vorfeld einer Verfilmung schon das Ursprungsmaterial kenne. Dank dem fantastischen Hörspiel von Audible, das ich ebenfalls empfehlen kann, war ich aber bereits „im Stoff“ und schon sehr auf die filmische Umsetzung gespannt. Im Zentrum von THE SANDMAN steht Dream (Tom Sturridge), der zusammen mit seinen Geschwistern Destiny, Death (Kirby Howell-Baptiste), Destruction, Desire (Mason Alexander Park), Despair (Donna Preston) und Delirium über das Universum herrscht. Dream, der die Welt der Träume regiert, wird Anfang des 20. Jahrhunderts von einem Okkultisten (Charles Dance) entführt. 105 Jahre später kann er sich endlich befreien. Nun muss er die drei Insignien seiner Macht wiederfinden: seinen Helm, seinen Beutel mit Traumsand und einen mächtigen Rubin. Zudem muss er das Traumreich wieder neu aufbauen und entflohene Albträume wieder einfangen. Besonders hartnäckig ist dabei der Corinthian (Boyd Holbrook), der die Augen seiner Opfer aufisst.
Nah an der Vorlage
THE SANDMAN basiert auf einem Graphic Novel von Neil Gaiman. Der Autor war auch stark bei der Umsetzung der Netflix-Serie beteiligt – als Executive Producer und Autor. Und diese Beteiligung merkt man der Serie auch an. Experimente wurden hier nicht gemacht und das ist auch gut so. Manchmal tauchen aber Figuren nur am Rande auf wie z.B. Nada, die Ex-Geliebte von Dream. Zudem wurden alle Rollen neu besetzt. Obwohl man mit LUCIFER bereits eine erfolgreiche DC-Serienadaption von dieser Figur aus dem Gaiman-Kosmos hatte, wird hier Lucifer nicht von Tom Ellis, sondern von Gwendoline Christie gespielt. Hier merkt man wieder einmal, dass DC Comics einen anderen Ansatz verfolgt als im Marvel-Universum, in dem die Schauspieler ihre Rollen über mehrere Filme und Serien hinweg behalten. Im Fall von THE SANDMAN gelingt dieser Reboot aber ausgesprochen gut.
Erstklassiges Ensemble
Denn die Rollen sind alle erstklassig besetzt. Das geht los bei Tom Sturridge, der als wortkarger Traumkönig eine gute Figur macht. In den Nebenrollen sind mir besonders Kirby Howell-Baptiste als empathischer Tod, Vanesu Samunyai als Rose Walker und Vivienne Acheampong als Dreams Bibliothekarin und Verwalterin Lucienne aufgefallen. Aber auch alle, die ich jetzt nicht genannt habe, sind wirklich wunderbar. Es gab ja Leute, die sich darüber beschwert haben, dass manche Rollen diverser besetzt wurden als sie in der Vorlage waren (Geschlechterrollen wurden aufgebrochen und vertauscht sowie Schauspielende entgegen der Graphic Novel-Vorlage besetzt). Ich fand das aber eher positiv, weil ich das Gefühl hatte, dass man hier die Schauspielenden nach ihren Fähigkeiten gecastet hat und nicht nach einem bestimmten Look. Die Special Effects finde ich hingegen nicht durchweg überzeugend. Insbesondere Goldie, einem Baby-Gargoyle, sieht man die Herkunft aus dem Rechner an, genauso wie alle Szenen, in denen Sandwirbel auftauchen. Computeranimierte Landschaften und Gebäude sehen allerdings sehr gut aus.
Fantasy für Erwachsene
THE SANDMAN ist ab 16 Jahren freigegeben und ist insbesondere in der 5. Episode, in der John Dee (David Thewlis) den Rubin von Dream für menschliche Experimente missbraucht, auch ziemlich blutig. Überhaupt geht es um sehr erwachsene Themen: Leben, Tod, Macht und Verantwortung und alle drei Definitionen des Worts „Traum“, → die man im Duden findet. Während sich zu Beginn der Staffel noch alles um Dream dreht, geht es gegen Ende immer mehr um Rose Walker, die in fünf der zehn Folgen eine tragende Rolle spielt. Muss man vielleicht wissen. Außerdem entwickelt die Staffel nicht unbedingt einen Sog. Man freut sich darüber die einzelnen Folgen hintereinander wegzubingen, aber es fehlt ein bißchen der finale Funke.
9/10