Wenn es einen Film gibt, der einfach perfekt zu Silvester (oder jedem anderen „Feier-Tag“) passt, dann ist es THE GREATEST SHOWMAN. Das wurde mir bereits mit dem Opening klar. Im Halbdunkel tanzt und singt Hugh Jackman, das Zirkuspublikum stampft mit den Füßen im „We will rock you“-Rythmus, dann springen Löwen durch brennende Reifen, Artisten zeigen ihre Kunst am Boden und in der Luft und du sitzt einfach nur mit offenem Mund da und denkst dir: „Jap, genau hier bin ich richtig.“ Die Geschichte beginnt Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Zeit, in der noch keiner weiß, was ein Zirkus ist. Die Menschen führen ein einfaches Leben und auch P.T. Barnum (Hugh Jackman) sitzt in einer Bank und addiert.
Diesen Job, der ihn ohnehin nicht fasziniert, verliert er kurz darauf. Barnum gründet ein Kuriositätenkabinett, erst nur mit ausgestopften Tieren, dann auch mit lebenden außergewöhnlichen Persönlichkeiten wie etwa der bärtigen Frau Lettie Lutz (Keala Settle) oder dem kleinwüchsigen Tom Thumb (Sam Humphrey). Und der Laden läuft. Dank einer atemberaubenden Show mit Akrobaten wie der Trapezkünstlerin Anne Wheeler (Zendaya) kann er das Publikum überzeugen. Seine Frau Charity (Michelle Williams) und seine beiden Töchter leben fortan im Wohlstand, doch „die feine Gesellschaft“ kann mit dem Neureichen und seinem Unterhaltungsprogramm wenig anfangen. Barnum überzeugt den seriösen Theatermacher Phillip Carlyle (Zac Efron) zu einer Zusammenarbeit. Bei einer königlichen Audienz begegnen Carlyle und Barnum der schwedischen Opernsängerin Jenny Lind (Rebecca Ferguson). Barnum engagiert sie ohne ihren Gesang gehört zu haben, in der Hoffnung endlich gesellschaftlich anerkannt zu werden.
Ein Musical ist kein Biopic.
Ich weiß nicht, warum es überhaupt eine Diskussion darüber gibt, aber um es gleich vorweg zu nehmen: Der Film ist → historisch nicht korrekt. Auch wenn es P.T. Barnum wirklich gab, sind viele Charaktere, die im Film auftauchen wie etwa Anne Wheeler und Phillip Carlyle, komplett erfunden. Barnum wird als Menschenfreund mit einer Passion für das Ungewöhnliche inszeniert (und nicht als ein ausbeuterischer Nutznießer, den man ebenfalls in ihm sehen könnte) und daran stören sich offenbar einige Kritiker. Aber wie Variety-Kritiker Owen Gliberman richtigerweise fragt:
Who in God’s name goes to a kaleidoscopic musical about P.T. Barnum looking for a chronicle of the complex historical figure he really was?
Owen Gliberman: The Critical Sin of ‘The Greatest Showman’: It’s Defiantly Uncool
Mit anderen Worten: Wer ein Musical anschaut, erwartet Unterhaltung und keine detailgetreue, chronologisch und inhaltlich richtige Nacherzählung eines Lebens. Recht hat der Mann. Auch in den deutschsprachigen Filmbewertungsportalen wird der Film gerne mal mit halbherzigen Bewertungen (5 von 10 Punkten) bedacht, was ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Ich überlege schon mit → Antje und → Denis einen Fanclub zu gründen.
Oberflächlich oder unterschätzt?
Weiterer Kritikpunkt ist die Musik. Manche tun den Film als „oberflächliches Popmusikspektakel“ ab, andere beschweren sich, dass die Musik im Trailer auch der Musik im Film entspricht. Ja, das ist so. Ja, das hätte man auch anders lösen können. Und ja, das ge(auto)tunte Gesinge geht nach der Weile ein bißchen auf die Nerven, da bin ich ganz bei meiner Mit-Kinogängerin → Singende Lehrerin.
Nichtsdestrotrotz stecken hinter dem Soundtrack gute Leute. Für den Score zuständig war John Debney. Die für LA LA LAND mit dem Oscar ausgezeichneten Benj Pasek und Justin Paul schufen die einzelnen Songs. Diese sind im Vergleich zur gediegenen Geschichte vergleichsweise auffällig. Sie gehen ins Ohr und bleiben dort eine Weile. Musikalisch sind alle Stücke mit Einflüssen aus dem Pop und Hip-Hop durchzogen, was ihnen einen moderen Sound verpasst. Diese Verbindung aus „alter“ Story und „neuen“ Songs hat schon bei MOULIN ROUGE fantastisch funktioniert, wobei dieser ja nahezu ausschließlich mit Coverversionen arbeitete. Auch die farbenfrohen Kostüme und die Handlung erinnern an das Baz-Luhrmann-Musical. Was aber THE GREATEST SHOWMAN besonders macht, sind die atemberaubenden Choreografien, die punktgenau auf den Takt und die Musik abgestimmt sind. Auffällig ist auch der starke Einsatz von Requisiten während der Darbietungen, was immer auch ein gewisses Risiko birgt. Um es kurz zu machen: man sieht wie viel Arbeit in diesem Film steckt. Autotune hin oder her – der Soundtrack läuft bei mir schon seit Tagen rauf und runter. Keala Settles „This is me“ ist ein Gedicht. Im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend. Hugh Jackman ist ein fantastischer Gastgeber. THE GREATEST SHOWMAN ist wunderbar geeignet für verregnete Tage oder wenn man krank im Bett liegt. Gemacht für die große Leinwand oder zumindest einen großen Fernseher.
5/6 bzw. 8/10
Trailer: © 20th Century Fox
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