Kleider machen Leute. Daher werden in Filmen gerne einmal Makeover wie die Verwandlung vom unscheinbaren Mauerblümchen zur heißen Schnitte thematisiert. THE DRESSMAKER erzählt von Myrtle Dunnage (Kate Winslet), von allen nur “Tilly” genannt, die diese Verwandlung schon hinter sich hat. Nach Jahren der Abwesenheit taucht sie in den 50er Jahren unangekündigt in ihrem Heimatort, einem verschlafenen Örtchen irgendwo in Australien, auf. Mit dabei hat sie eine Nähmaschine, Stoffe und Wissen über die Mode der Haute Couture. Mutter Molly (Judy Davis) vegetiert vor sich hin und verlässt kaum das Bett.
Tilly entrümpelt kurzerhand das Haus und richtet sich eine Nähstube ein. Nachdem sie die unscheinbare Trudy Pratt (Sarah Snook) in einen schönen Schwan verwandelt hat, stehen die Damen des Dorfes bei ihr Schlange. Doch nicht nur die Frauen haben ein Auge auf die talentierte Schneiderin geworfen, sondern auch Teddy (Liam Hemsworth). Doch Tillys Rückkehr ist nicht ganz uneigennützig. Sie will auch ein Unrecht aufklären, das ihr in jungen Jahren angetan wurde.
Der Besuch der jungen Dame
Ein Hauch von Dürrenmatt weht durchaus in THE DRESSMAKER. “I’m back, you bastards.” erklärt Tilly bei ihrer Rückkehr und sieht dabei fantastisch aus. Überhaupt sind die Kostüme von Marion Boyce und Margot Wilson ein Träumchen. Und Kate Winslet nimmt man die von Rache getriebene Hauptrolle mehr als nur ab.
Dieses Örtchen, in das Tilly da zurückkehrt, besteht aus einer einzigen Straße. Links und rechts stehen aufgereiht die Hütten und am Ende der Straße thront Tillys Elternhaus auf dem Hügel. Es ist das Setting für einen Western. Man hört schon förmlich die Schüsse durch die verstaubte Luft peitschen. Doch über weite Strecken verliert sich das Rachedrama etwas zu sehr in seiner Erzählung. Es fehlt das Tempo. Stattdessen erzählt Jocelyn Moorhouse von den Dorfbewohnern, ihren Vorurteilen Tilly und ihrer Mutter gegenüber und einem alten Verbrechen, an das sich Tilly nicht erinnern kann.
Das alte Verbrechen
Genau dieses alte Unrecht soll der Motor für die Handlung sein und über weite Strecken gelingt es auch die Spannung aufrechtzuerhalten. Doch am Ende ist es Teddy, der Tilly auf die Lösung des Rätsels bringt. Natürlich. Der Mann. In den Tilly auch noch verliebt ist. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich inzwischen aufgrund der ganzen “Frauenrollen im Film”-Debatte ein bißchen sensibler geworden bin, aber diese Szene überzeugte mich so gar nicht. Der hübsche junge Mann muss der gestandenen Frau ihr eigenes Trauma erklären… nein, danke. (Ich kenne die Buchvorlage nicht, das sollte ich vielleicht noch dazusagen.)
Die Dorfbewohner sind weitestgehend austauschbar. Lediglich Trudy Pratt (Sarah Snook) und Sergeant Horatio Farrat (Hugo Weaving) sind so interessant, dass man sich auch noch weiter mit ihnen beschäftigen möchte. Trudy steht die Wandlung vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan einfach zu gut. Farrat hingegen besticht durch seine Vielschichtigkeit: auf der einen Seite ist er ein knallharter Gesetzeshüter, auf der anderen Seite ist er insgeheim Transvestit und hat ein Faible für schöne Stoffe. Wenn das einer fantastisch spielen kann, dann Weaving. Fast schon schade, dass er nur eine Randfigur ist. In Deutschland kam THE DRESSMAKER gar nicht in die Kinos, sondern erschien direkt auf DVD.
4/6 bzw. 7/10
Trailer: © Ascot Elite Entertainment
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