Jedes Mal, wenn es ein neues Theaterstück unter der Regie von Nicholas Hytner gibt, werde ich hellhörig. Seit A MIDSUMMER NIGHT’S DREAM hat Herr Hytner nämlich einen großen Stein bei mir im Brett. Nun hat sich Hytner Philip Pullmans „His Dark Materials“-Welt angenommen und bringt nun dessen Vorgänger THE BOOK OF DUST – LA BELLE SAUVAGE auf die Bühne. Die Handlung spielt zwölf Jahre vor THE GOLDEN COMPASS. Im Zentrum stehen der Junge Malcolm Polstead (Samuel Creasey), der durch Zufall ein kleines Baby namens Lyra Belacqua in seine Obhut nimmt. Zusammen mit seiner Bekannten, der jungen Alice Parslow (Ella Dacres) versuchen die beiden Kinder das Baby vor den Schergen des Magisteriums zu verstecken. Aber auch die wahren Eltern des Kindes, Mrs. Colter (Ayesha Dharker) und Lord Asriel (John Light) suchen nach ihrem Kind.
Einsteigerfreundliches Setting
Für alle, die nicht mehr wissen, was das Magisterium ist, was ein Alethiometer kann und was ein Dæmon ist, wird dies nochmal ausführlich erklärt. Als Kennerin der Bücher, des Films und der Mini-Serie war es mir fast ein bißchen zu viel Erklärung. Aber mir ist schon klar, dass man hier ein Erlebnis für die ganze Familie schaffen wollte und alle „mitnehmen möchte“, von daher geht das schon in Ordnung. Absolut großartig sind die Videoprojektionen von Luke Halls auf der Bühne. Egal, ob Kloster, Pub oder inmitten gewaltiger Wassermassen. Die Sprünge von Szene zu Szene, von Ort zu Ort, sind fließend. Es wirkt fast schon wie ein Film.
Sympathischer Cast
Das Ensemble ist ganz großartig ausgesucht. Samuel Creasey, die im Aussehen, aber auch in der Mimik und Gestik stark an einen jungen James Corden erinnert, ist von Anfang an ein großer Sympathieträger. Auch für Lyra wurde ein leibhaftiges Baby gecastet, das völlig tiefenentspannt auf der Bühne mit den Mitspielenden agiert, als würde es den ganzen Tag nichts anderes machen. Wahnsinnig süß. Ella Dacres bildet zunächst den Gegenpart zu Malcolm. Sie kann ihn anfangs nicht leiden, lernt ihn aber noch als Freund schätzen. Es macht großen Spaß dieser Entwicklung zuzusehen. Ayesha Dharker und John Light haben eine wahnsinnig gute Chemie als Mrs. Coulter und Lord Asriel. Ein absolut verführerisches Bühnen-Power-Couple. Obwohl beide nur wenige Momente zusammen auf der Bühne stehen, ist die Chemie zwischen beiden schon fast sichtbar.
Die Bildregie oder: Jammern auf hohem Niveau
Als ich die ersten Bilder der Dæmonen gesehen habe, war ich skeptisch, ob mich das zu sehr stört, dass man die Puppenspieler sieht. Mit der Zeit vergisst man aber immer mehr, dass die Puppenfiguren mit den beleuchteten Köpfen gar nicht echt sind und akzeptiert es in seiner Form. Hin und wieder gibt es seitens der Bildregie ein paar unschöne Entscheidungen, die dazu führen, dass man zwar in Nahaufnahme alles mitbekommt, aber das große Ganze nicht sieht. Insbesondere als ein Dæmon stirbt, habe ich das erst viel zu spät mitgekriegt, weil die Kamera gerade etwas anderes eingefangen hat. All das fällt in die Kategorie „Jammern auf hohem Niveau“, denn THE BOOK OF DUST ist grundsätzlich schon wahnsinnig stimmig. Die Videoprojektionen sind beeindruckend, das Ensemble zeigt große Spielfreude und die Geschichte ist sehr spannend und unterhaltsam.
8.5/10
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