The Art of Self-Defense (O, 2019)

Natürlich könnte man sich darüber beschweren, dass der Eröffnungsfilm des diesjährigen Filmfest München mal wieder ein sehr männerlastiger Film geworden ist. Regie von einem Mann, Hauptdarsteller ein Mann, Nebendarsteller bis auf eine einzige Frau – Imogen Poots – ebenfalls alle Männer. Doch für einen Film, der das Thema „Männlichkeit“ verhandelt, passt das ausgesprochen gut. Protagonist von THE ART OF SELF-DEFENSE ist der junge Casey (Jesse Eisenberg), der auf seinem nächtlichen Nachhauseweg aus heiterem Himmel angegriffen wird. Seine erste Idee ist, sich eine Waffe zu kaufen. Durch Zufall landet er aber in einem Dojo. Casey hofft durch die neu erlangten Fähigkeiten mehr Selbstbewusstsein zu bekommen und sich besser in der Welt behaupten zu können. Der Sensei (Alessandro Nivola) ist ein überzeugender Lehrmeister, dem Casey regelrecht verfällt. Er ändert sein Leben und erzielt tatsächlich erste Erfolge. Doch dann findet Casey seinen geliebten Dackel verletzt in seiner Wohnung vor. Der Sensei hatte kurz zuvor den Dackel für „nicht männlich genug“ befunden.

Szenenbild aus THE ART OF SELF-DEFENSE - Der Sensei (Alessandro Nivola) - © Universal Pictures
Der Sensei (Alessandro Nivola) – © Universal Pictures

Eine Ansage machen

Jesse Eisenberg verschmilzt zu Beginn des Films förmlich mit dem Hintergrund. In einer Melange aus grau-braunen Farbtönen fällt er in dem Großraumbüro nicht wirklich auf. Der junge Mann, der mit seinen männlichen Kollegen keinen gemeinsamen Nenner hat, sich einen Dackel als Haustier hält, „Adult Contemporary“ hört, Französisch lernt und auch noch Casey heißt (ein „Frauenname“), der soll nun Karate lernen. Das ist der Ausgangspunkt einer amüsanten, aber auch ziemlich blutigen Komödie über männliche Ideale. Casey bekommt vom Sensei den Tipp, er solle sich doch einen deutschen Schäferhund halten anstatt eines Dackels. Anstelle Französisch soll er Deutsch lernen, denn Deutsch sei eine männliche Sprache. (Hier lohnt es sich durchaus den Film im Original anzuhören, denn Eisenbergs Deutschversuche sind schon ein Lacher für sich.) Was sich durch den ganzen Film zieht wie ein roter Faden sind Ansagen. Die macht in erster Linie der Sensei. „Tu‘ dies!“ „Mach‘ das!“ Von Casey wird der bedingungslose Gehorsam gefordert.

Szenenbild aus THE ART OF SELF-DEFENSE - Anna (Imogen Poots) und Casey (Jesse Eisenberg) - © Universal Pictures
Anna (Imogen Poots) und Casey (Jesse Eisenberg) – © Universal Pictures

Gewalt als Männlichkeitsbeweis

Doch hier stellt sich die Frage, wie weit diese Loyalität gehen muss. Der Sensei fordert von Casey nämlich auch, dass er seine neu erlernten Fähigkeiten dazu einsetzt um andere Menschen zu verletzen. Regisseur Riley Stearns wollte nicht den typischen Sportfilm-Handlungsverlauf verfilmen. Der schwache Kerl, der durch Selbstverteidigung zu seiner inneren Mitte findet. So eine Geschichte ist THE ART OF SELF-DEFENSE nicht. Immer wieder spielt der Film mit den Erwartungen des Publikums. Das gelingt nur, weil sich der Film selbst nicht so ernst nimmt. Angebliche Attribute eines „wahren Mannes“ werden herrlich und pointiert auf die Spitze getrieben. In der zweiten Hälfte wurde mir der Film allerdings etwas zu brutal und zu blutig. Das muss man mögen. Was mich ebenfalls verwundert hat, ist die Abwesenheit der Polizei. Wie sich im Lauf des Films herausstellt, ist Casey nicht das erste Opfer der ominösen Schlägertruppe, dennoch spielt die Polizei kaum eine Rolle. Eine außenstehende Entität gibt es nicht. Nur den Sensei und seine Schüler.

Szenenbild aus THE ART OF SELF-DEFENSE - Casey (Jesse Eisenberg) - © Universal Pictures
Casey (Jesse Eisenberg) – © Universal Pictures

Eisenberg brilliert

Wer sich noch vage an die Fehlbesetzung von Eisenberg als Lex Luthor in BATMAN V SUPERMAN erinnert, merkt besonders im direkten Vergleich zu THE ART OF SELF-DEFENSE wie sehr Eisenberg hier in seinem Element ist. Der Schauspieler mit dem Bubigesicht und dieser inneren Unruhe, die auch in → Interviews immer wieder durchkommt, passt perfekt auf diese Rolle. Die humorigen Textpassagen bringt er derart ernst und trocken herüber, dass man schon allein darüber schmunzeln muss. Gleiches gilt auch für Gegenspieler Alessandro Nivola, der erst drei Tage vor Beginn der Dreharbeiten gecastet wurde. Regisseur Riley Stearns, der auch für das Drehbuch verantwortlich war, verzichtete auf moderne Technik wie z.B. Handys. Dies ermöglicht zum einen, dass der Film in einer eigenen Welt spielt und zum anderen nicht direkt einer bestimmten Ära zugeordnet werden kann. Das gibt dem Film etwas Universelles.

4.5/6 bzw. 7.5/10

Der Film hat momentan noch keinen deutschen Starttermin.

Trailer: © Bleeker Street

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