Pixar ist inzwischen eine Marke, was Animationsfilme mit Tiefgang und Taschentuch-Gebrauch-Garantie angeht. Ihr neuster Film SOUL bildet da keine Ausnahme. Im Zentrum der Handlung steht der Musiklehrer Joe Gardner (Stimme: Jamie Foxx), der in New York lebt und am liebsten als Jazz-Musiker arbeiten würde. Als sich ihm eines Tages die Gelegenheit bietet mit der berühmten Jazz-Saxophonistin Dorothea (Angela Bassett) aufzutreten, hat Joe einen Unfall und Joes Seele landet an einem Ort namens „Davorseits“. Dort werden ungeborene Seelen mit ihren Persönlichkeiten ausgestattet und auf das Leben auf der Erde vorbereitet. Joe versucht nun alles um wieder in seinen Körper auf der Erde zu gelangen. Dafür tut sich der leidenschaftliche Musiker mit der abgeklärten Seele 22 (Tina Fey) zusammen, die schon eine halbe Ewigkeit im „Davorseits“ sitzt und absolut keine Lust auf ihr Leben auf der Erde hat.
Menschliches Innenleben
SOUL lässt sich in gewisser Weise als „Fortsetzung“ zu ALLES STEHT KOPF verstehen, denn beide Filme thematisieren das Innenleben der menschlichen Existenz. In ALLES STEHT KOPF werden die menschlichen Gefühlsregungen zum Thema gemacht, bei SOUL die Charaktereigenschaften, die einen Menschen auszeichnen. Der Filmtitel ist dabei doppeldeutig (Seele / Soul als eine Hauptströmung der afroamerikanischen Unterhaltungsmusik) und beschreibt in zweierlei Hinsicht, worum es in diesem Film geht. Dass Joe Gardener der erste afroamerikanische Protagonist der Pixar-Geschichte ist, sei hier nur am Rande erwähnt.
Holt die Taschentücher raus!
Auch dieses Mal gelingt es Pixar wieder die richtigen Knöpfe zu drücken und eine anrührende Geschichte zu erzählen, auch wenn diese etwas abstrakter ist als INSIDE OUT. Trotzdem findet SOUL starke Bilder um „verlorene Seelen“ (Menschen, bei denen eine Obsession das Leben bestimmt) oder einen Bereich zwischen der physischen und der spirituellen Welt („the zone“), in die man abtaucht, wenn man im Jetzt lebt und den Moment komplett genießt. Besonders gelungen finde ich auch die Antagonistin Terry. Terry ist eine Buchhalterin, die alle Seelen zählt, die ins Licht gegangen sind. Als Joe Gardener sich gegen den Tod entscheidet und im „Davorseits“ landet, stimmt natürlich die Rechnung nicht mehr und Terry macht sich auf die Suche nach dem Fehler in ihrer Kalkulation.
Let’s talk about music
Bei den Golden Globes Ende Februar wurde SOUL sowohl als bester Animationsfilm als auch für den Soundtrack ausgezeichnet. Auch bei den diesjährigen Oscars könnte SOUL in beiden Kategorien abräumen. Trent Reznor, Atticus Ross und Jon Batiste – letzteren kennt man vielleicht als Bandleader von Stephen Colberts Studioband – unterstützen mit ihrer jazzlastigen Musik die Geschichte unaufdringlich. Über kleinere Logiklöcher – ein Mensch auf der Erde kann z.B. eine Katze verstehen – kann man großzügig hinwegsehen. Denn SOUL klingt nicht nur gut, sondern sieht auch noch wahnsinnig gut aus. Egal, ob ein herbstliches, in Sonnenlicht getauchtes New York, ein verrauchter Jazz-Club und das pastell-fluffige „Davorseits“ – es sieht einfach alles großartig aus.
SOUL ist im Streamingangebot von Disney+ enthalten.
9/10
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