Lenz (2021)

„Willkommen, Franziska. Auch wieder da? Du warst doch auch schon zweimal bei SUPERSPREADER, oder?“ „Äh, ja. Weißt du das noch?“ „Ja, klar, da habe ich doch auch Einlass gemacht.“ Mit der freundlichen Begrüßung der Regieassistentin Sara Dec und meinem breiten Grinsen begann für mich meine Zoom-Vorstellung von Lenz. Im Stück begleitet man den Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz (Lisa Stiegler) auf seiner Reise in das Bergdorf Waldbach zum Pfarrer Oberlin. Seine Wanderung ist beschwerlich. Völlig erschöpft kommt er im Dorf an. Dort heißt ihn Pfarrer Oberlin bei sich willkommen. Im Pfarrhaus genießt Lenz das ruhige Miteinander der Familie. Als er jedoch sein kaltes und kahles Gästezimmer bezieht, wird er von einer unbeschreiblichen Angst ergriffen.

Szenenbild aus LENZ - Lenz (Lisa Stiegler) - © Residenztheater
Lenz (Lisa Stiegler) – © Residenztheater

Ein persönlicher Exkurs oder: Von der Beteiligten bei der Publikumsbeteiligung

Obwohl mich das Zoom-Format grundsätzlich interessiert hat, habe ich mit LENZ wirklich über mehrere Monate hinweg gefremdelt. Zum einen hatte ich angesichts der weltweiten Pandemielage wenig Lust auf „schwere Stoffe“. Georg Büchner ist ja nicht unbedingt für seine luftig-lockeren, tiefenentspannten Stoffe bekannt. Zum anderen hatte ich schon erfahren, dass es auch Interaktion mit dem Publikum gibt. Und das hat mich abgeschreckt. Zumal die Wahrscheinlichkeit bei maximal 5 ZuschauerInnen pro Abend auch relativ hoch ist, dass man mal drankommt. Jedenfalls mussten erst einige Monate vergehen, in denen ich mehrere Theaterabende mit Publikumsbeteiligung erfolgreich überlebt habe, bis ich Vertrauen zum Stück fasste. Und nachdem die Begrüßung so herzlich ausgefallen ist und ich bereits von einer Freundin vorgewarnt bzw. auch entwarnt wurde („So schlimm ist das nicht.“), konnte ich mich dann doch entspannt zurücklehnen.

Szenenbild aus LENZ - Lenz (Lisa Stiegler) - © Residenztheater
Lenz (Lisa Stiegler) – © Residenztheater

Aus eins mach fünf

In der ursprünglichen Inszenierung auf engstem Raum wurde das Stück nur für jeweils eine real anwesende Person gespielt. Als Weiterentwicklung des Projekts dürfen sich jetzt fünf ZuschauerInnen live per Zoom-Konferenz dazuschalten. Mir persönlich fiel es am Anfang etwas schwer in das Stück hineinzufinden. Und am Schluss war ich irritiert, dass es so abrupt endet. Aber alles dazwischen ist schon ziemlich beeindruckend. Auf meine Frage beim anschließenden Publikumsgespräch, wie viele Leute, denn noch um sie herum seien, meinte Lisa Stiegler: „Niemand“. Soll heißen, sie ist für alles, was in diesem Raum passiert, selbst verantwortlich: Szenen- und Kostümwechsel, Verschiebung der Kamera, turnerische Einlagen, blitzschnelle emotionale Wechsel von Freude zu Angst, den Text parat zu haben und dann auch noch mit dem Publikum zu interagieren. All das ist nicht nur eine beachtliche Leistung, sondern auch äußerst sehenswert. (Wer sich übrigens gefragt hat, ob ich bei der Publikumsbeteiligung dran kam. Natürlich kam ich dran. 😉 )

8.5/10

Bewertung: 8.5 von 10.

Gesehen am 31.03.2021 via Zoom (55. Vorstellung)

Ihr Ziel, 50 Vorstellungen ihrer «Lenz»-Adaption in einer Zoom-Konferenz zu spielen, hat Lisa Stiegler im Februar 2021 erreicht – und macht trotzdem weiter. Sie erhöht sie auf 100 Vorstellungen – in der Hoffnung, einen Teil davon auch wieder analog spielen zu können.

Trailer: © Residenztheater

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