Aus deutscher Sicht sind die Abräumer der Berlinale wohl definitiv Dietrich und Anna Brüggemann. Für ihren Film erhielten Sie den Silbernen Bären für das beste Drehbuch und dem Preis der Ökomenischen Jury. Und das völlig zu Recht! Kreuzweg erzählt die Geschichte der jungen Maria (Lea van Acken). In der Schule ist das 14-jährige Mädchen mit den typischen Interessen eines Teenagers konfrontiert. Zu Hause, in ihrer Familie, folgt sie den Lehren der Priesterbruderschaft Pius XII. und deren traditionalistischer Auslegung des Katholizismus. Alles, was Maria denkt und tut, muss die Prüfung vor Gott bestehen. Und weil dieser ein strenger Hüter ist, bleibt die Furcht vor dem Fehltritt ihr ständiger Begleiter. Während Marias Mutter (Franziska Weisz) ihre Tochter mit harter Hand auf den Weg des Glaubens zwingt, schweigt der Vater (Michael Kamp) meist und schaut in kritischen Momenten tatenlos zu. Als es zu Auseinandersetzungen mit Lehrern und Ärzten kommt, verstärken sich die Konflikte. Maria versucht verzweifelt, es allen recht zu machen und gerät so immer mehr in die Bredouille.
…sondern erlöse uns von dem Bösen!
Dietrich Brüggemann entfaltet das Leiden seiner jungen Protagonistin in den → 14 Bildern des Kreuzwegs – von „Jesus wird zum Tode verurteilt“ bis „Der heilige Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt“. Das macht eigentlich schon deutlich, dass die Geschichte kein Feel-good-Movie ist und in jedem Fall mit einem Tod endet. Dennoch schafft er es sein Publikum zum Lachen zu bringen. Allerdings lacht man nie über Maria oder ihren Glauben, sondern immer nur über die grotesken Situationen, in denen Marias Weltbild und Moralvorstellungen auf den Zeitgeist der Jetztzeit treffen. Die 14 Bilder sind in Plansequenzen gedreht. Selten gibt es Kameraschwenks. Die starren Einstellungen sorgen dafür, dass man den Eindruck bekommt, dass der Film genauso asketisch „lebt“ wie Maria; als entsage sich der Film selbst jeglicher Ausschmückung. Der Cast ist der absolute Wahnsinn. Allen voran natürlich Lea van Acken, die ein beeindruckendes Debüt gibt. Auch Florian Stetter, der als Pius-Bruder die konservativen Moralverstellungen mit ruhiger Stimme unter das Volk bringt, überzeugt. Negativ-Kritik musste bisher nur die Mutter einstecken, die sei „grotesk überzogen„. Das kann man aber auch anders sehen. Sie ist bereits vollkommen in einer eigenen Welt angekommen, spricht sogar von der Heiligsprechung ihrer Tochter und merkt nicht, wie absurd diese Forderung ist. Während Maria immer noch zwischen Glaubenswelt und Realität gefangen ist, hat sich die Mutter bereits für eine Seite entschieden und setzt den christlichen Fundamentalismus mit eiserner Hand in ihrer Familie durch. Auf der offiziellen Facebook-Seite heißt es zu dem Thema: „Wenn Kritik kommt, hängt die sich ja oft an der Figur der Mutter auf, die sei überzogen, das sei eine Karikatur, und da muß ich leider entschlossen dagegenhalten: Nein. Ist sie nicht. Die ist so. Punkt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Kreuzweg lässt einen kopfschüttelnd und nachdenkend im Kino zurück. Der Film ist episch, ohne epische Bilder zu zeigen. Der Film bringt den Zuschauer zum Lachen, ohne wirklich lustig zu sein. Ein toller Film, der unter die Haut geht.
Starkes deutsches Kino (6/6)
Trailer: © Camino Filmverleih
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