Es gibt sie ja, die richtig guten DC-Filme. Während man bei Marvel auf ein mehrteiliges Filmuniversum setzt, ist Konkurrent DC eigentlich nur mit einzelnen, für sich alleine stehenden Comicverfilmungen erfolgreich. Und JOKER gehört zu diesen erfolgreichen Filmen dazu. Diese Originstory von Batmans Gegenspieler wird ins Jahr 1981 verlagert. In Gotham City lebt Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) ein trostloses Leben. Er arbeitet als Clown und wirbelt Werbeschilder durch die Luft. Zuhause kümmert er sich um seine kranke Mutter Penny (Frances Conroy). Fleck wird immer wieder von der Gesellschaft erniedrigt, verprügelt oder ausgelacht. Das liegt auch an seiner Krankheit. Er hat immer wieder unkontrollierte Lachanfälle und bekommt Medikamente, die aber kaum helfen. Arthur verfolgt neben seinem Job als Clown eine Karriere als Stand-up-Comedian. Sein Idol ist der Late-Night-Talker Murray Franklin (Robert DeNiro). Der entdeckt das Nachwuchstalent zwar, verspottet ihn aber vor aller Augen. Als Arthur schließlich von seinem Kollegen Randall (Glenn Flesher) einen Revolver geschenkt bekommt, ändert sich sein Leben radikal.
Der traurige Clown
Es ist schon überraschend, dass von so jemandem wie Todd Phillips, der eher für klamaukige Buddykomödien wie HANGOVER oder STICHTAG bekannt ist, so eine traurige und ernste Leidensgeschichte kommt. Wie vielerorts beschrieben, ist JOKER in erster Linie eine Gesellschaftskritik und ein Drama. Es gibt keine überdrehte Action, sondern eine sensible Erzählung mit einem tragischen Helden. Phillips lässt Arthur immer wieder die immergleiche steile Treppe hinauflaufen. Ein Sinnbild für den steinigen, harten Weg, den Arthur vor sich hat. Als die Verwandlung zum Joker vollzogen ist, tänzelt er leichtfüßig die Treppe hinab. Apropos Joker. Immer wieder wird mit der Doppeldeutigkeit des Wortes (wertvolle Spielkarte oder ugs. Scherzkeks) gespielt. Im Laufe des Films wird Arthur als „joker“ – im Sinne von schlechtem Witzeerzähler – bezeichnet. Er macht sich diese Beleidigung zueigen und trägt sie vor sich her wie einen Adelstitel.
Gewaltverherrlichung oder Einbildung?
Dadurch, dass sich der Film mit seiner Hauptfigur gemein macht, entsteht nach dem Filmende der Eindruck, er sympathisiere und legitimiere nachträglich das Handeln des Jokers. Überdeutlich zeigt der Film die Schere zwischen Arm und Reich. Porträtiert wird dabei wie die Gesellschaft mit ihren Ausgestoßenen umgeht. Hier lassen sich durchaus Übereinstimmungen mit der Realpolitik, in die Pauschalisierungen, Propaganda und Ausgrenzung von Minderheiten inzwischen auch ihren Weg gefunden hat, erkennen. Am Ende hat man als Zuschauer das Gefühl als rufe der Film zu den Waffen. Anarchie und Revolte werden als legitimes Mittel des gesellschaftlichen Wandels propagiert. Das alleine fände ich eine äußerst zweifelhafte Botschaft. Durch einen gelungenen Kniff nimmt Todd Phillips aber dieser Interpretation den Wind aus den Segeln.
Eine unzuverlässige Erzählung
Der Film folgt ausnahmslos Arthur. Allerdings ergeben sich aus der Erzählung zahlreiche Ungereimtheiten. Diese zeigen sich insbesondere in der Gestalt von Arthurs Nachbarin Sophie (Zazie Beetz). Der Zuschauer merkt bald, dass sich Arthur die Beziehung zu ihr nur ausgedacht hat. Diese filmische Offenbarung sorgt dafür, dass man auch andere Momente des Films kritisch hinterfragt. Vielleicht hat Arthur die Geschichte nie so erlebt. Vielleicht leidet er aufgrund seiner Medikation an Wahnvorstellungen. Nicht jede dieser Traumsequenzen ist durch eine bestimmte Optik als solche gekennzeichnet. Eine klare Antwort geben auch die Filmemacher nicht. Der Zuschauer solle sich selbst eine Meinung bilden. Hier hatte ich das Gefühl, man wolle sich etwas aus der Verantwortung stehlen.
Joaquin spielt Joker
Last but not least noch ein Wort zu Joaquin Phoenix. Wenn dieser im nächsten Jahr nicht zumindest eine Oscarnominierung erhält, würde mich das sehr überraschen. Ein traurigeres Lachen habe ich wirklich noch nie gehört. Er hat aus seiner Rolle wirklich etwas ganz Eigenes gemacht. Dass er in große Fußstapfen treten würde, wusste er sicher schon vorher. Aufgrund der abgewandelten Form, die mit einer actiongeladenen Comic-Knallerei nichts zu tun hat, und einem eher realistischen Ansatz an den Stoff wirkt seine Interpretation schon fast bemitleidenswert. Phoenix gab zu Protokoll, dass sicher auch sein großer Gewichtsverlust den Wahnsinn seines Spiels noch verstärkt hat. Es ist ein so ganz anderer Joker und auch ein ganz eigener Blick auf ihn. Dieser Mut wurde bei den letzten Filmfestspielen in Venedig belohnt. JOKER erhielt dort den goldenen Löwen in der Kategorie „Bester Film“.
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