Fahrenheit 11/9 (2018)

Nachdem ich kürzlich den Brexit-Film gesehen habe, der mich sehr aufgeregt hat, habe ich mich direkt in den nächsten Film mit nicht nur einem, sondern gleich mehreren Aufregerthemen gesetzt. Die Wahl von Donald Trump zum 45. US-Präsidenten ist so ein Thema, doch Michael Moore wäre nicht Michael Moore, wenn es nicht um mehr gehen würde. Denn nur oberflächlich geht es in FAHRENHEIT 11/9 um den 9.11.2016, den Tag, an dem Donald Trump zum Präsidenten erklärt wurde, obwohl alle Prognosen seine Kontrahentin Hillary Clinton als haushohe Favoritin sahen. Moore geht dabei auf die Umstände und Mechanismen ein, die zu dessen Sieg geführt haben, aber das allein wäre zu einfach. Es geht auch um das Versagen der Demokraten, die auf regionaler wie auf nationaler Ebene keine gute Figur gemacht haben. Moore beschreibt anhand der Wasserkrise in Flint wie Behörden und Regierung versagt haben. In Bürgerbewegungen sieht er aber einen kleinen Hoffnungsschimmer.

Szenenbild aus FAHRENHEIT 11/9 (2018) - Moore und Trump saßen 1998 zusammen in einer US-Talkshow. - © Weltkino
Moore und Trump saßen 1998 zusammen in einer US-Talkshow. – © Weltkino
Eine traurige Siegesfeier

Gwen Stefani sei an allem Schuld, meint Moore. Trump habe erfahren, dass Stefani für ihre Jurytätigkeit in der amerikanischen Ausgabe von THE VOICE mehr Geld bekäme als er für THE APPRENTICE und um den Sender von seiner Relevanz zu überzeugen, sei er ins Präsidentenrennen eingestiegen. Beweisen lässt sich das natürlich nicht, aber Moore setzt gerne auf plakative Beispiele. Und nachdem bereits dem Comedian Seth Meyers und Barack Obama eine Pseudo-Mitschuld gegeben wurde, ist es irgendwie erfrischend auch mal eine völlig neue “Schuldige” präsentiert zu bekommen. Trump habe die Präsidentschaft nie gewollt. Meisterhaft stellt er die Bilder der Siegesfeiern von Republikanern und Demokraten gegenüber. Die Demokraten, die erst feiern und dann weinen. Die Republikaner, die nicht mit dem Sieg rechnen und dann feiern. Der Moment, als Trump vor die Presse tritt. Moore kommentiert aus dem Off, dies sei die traurigste Siegesfeier eines US-Präsidenten gewesen.

Szenenbild aus FAHRENHEIT 11/9 (2018) - Moore zapft vergiftetes Wasser aus dem Flint River. - © Weltkino
Moore zapft vergiftetes Wasser aus dem Flint River. – © Weltkino
Vertuschung und verlorenes Vertrauen

Trump nimmt tatsächlich nur zu Beginn und am Ende relativ viel Raum ein. Er bildet als nationales Phänomen inhaltlich nur den Rahmen für die Probleme im Kleinen. Moore, wohnhaft in Flint, Michigan, beschreibt Probleme vor seiner eigenen Haustür, insbesondere die “Wasserkrise” in Flint. Um Geld zu sparen, wurde 2016 die Wasserversorgung vom sauberen Huron-See und aus Detroit übergangsweise auf das Wasser aus dem Flint River umgestellt. Das Wasser aus dem Flint River war aber durch Rückstände aus der lokalen Automobilindustrie stark bleihaltig, was allerdings lange von den Behörden vertuscht wurde. Hunderttausend Einwohner verwendeten das verseuchte Wasser und wurden krank. Moore zeigt, wie das Vertrauen in die Politik schwindet und wie sich dieses fehlende Vertrauen dann bei Wahlen auswirkt. Moore setzt hier auf starke Bilder, die aber etwas zu klamaukig geraten. So läuft er mit Handschellen zum Sitz des Gouvernours Rick Snyder, der die Krise zu verantworten hat, um diesen zu verhaften. Oder Moore schnappt sich einen Tanklaster mit Wasser aus dem Flint River und “gießt” damit Snyders Anwesen. Beide Aktionen bleiben aber folgenlos und sind deshalb auch sinnlos.

Szenenbild aus FAHRENHEIT 11/9 (2018) - © Weltkino
© Weltkino
All hope is lost

So richtig viel zu lachen, gibt es in FAHRENHEIT 11/9 nicht und wenn, dann ist es nur Galgenhumor. Michael Moore ist wirklich ein Meister der Montage. Bilder einer Rede von Hitler werden mit der Audiospur einer Wahlkampfrede von Trump zusammenmontiert. Am Beispiel von (Nazi-)Deutschland macht Moore deutlich, dass sich Gesellschaften immer gerne einem starken Despoten anschließen, wenn sie das Vertrauen in die Politik verloren haben. Auch das ist natürlich etwas arg plakativ geraten, auch wenn es nicht inhaltlich komplett falsch ist. Das letzte Viertel des Films gerät ein bißchen zu sehr zur langweiligen Geschichtsstunde. Die Quintessenz von Moores neustem Dokumentarfilm lässt sich auf einen Satz herunterbrechen: Hoffnung ist Gift für Demokratien, denn indem man nur hofft, bleibt man passiv und abwartend. Moore hebt daher die Bürgerbewegungen hervor wie den Women’s March, den “March for Our Lives” oder die Lehrer in West-Virginia, die neun Tage ihre Arbeit niederlegten um für höhere Löhne zu streiken. Nur sie könnten etwas verändern. Veränderung müsse von unten kommen.

4.5/6 bzw. 7.5/10

Trailer: © Weltkino Filmverleih

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