Nicht schon wieder ein Film über den Zweiten Weltkrieg, beklagte sich mein Innerer Schweinehund und nannte DUNKIRK und THE IMITATION GAME als Beispiele. Aber Gary Oldman hat kürzlich einen Golden Globe für seine Rolle in DARKEST HOUR gewonnen, sprach das Unnütze Filmwissen und verwies auf den Oscar, den Oldman bald in Händen halten könnte. Davon abgesehen kostet es dich nur die Hälfte, wisperte die Kino-Bonuskarte. Also gut.
Wintermantel an, mit der U-Bahn durch die halbe Stadt gefahren, Kinoticket gekauft und mental ins Jahr 1940 eingetaucht. Hier kommt es inmitten der Krisenzeiten – Hitlers Armee überrollt westeuropäische Länder – zu einem Machtwechsel in Großbritannien. Premier Neville Chamberlain (Ronald Pickup) tritt als Staatschef zurück. Sein Nachfolger ist Winston Churchill (Gary Oldman). Der hat keine leichte Aufgabe. König George (Ben Mendelsohn) ist skeptisch, ob Churchill die richtige Wahl ist, und Parteimitglieder aus Churchills eigener Partei intrigieren gegen ihn. Trost und Rückhalt findet er bei seiner Frau Clementine (Kristin Scott Thomas), die ihm unterstützend zur Seite steht – wie auch die Sekretärin Elizabeth Layton (Lily James).
Der großartige Gary Oldman
Gary Oldman, Meister der exzentrischen Figuren und den dazugehörigen Verwandlungen, ist zurück. Unter den vielen Schichten Make-up und einem Fat Suit kaum mehr zu erzukennen, liefert Oldman eine starke Leistung ab. Die verlangte ihm auch körperlich einiges ab. Das „Zigarrenbudget“ des Films betrug umgerechnet 20.000 Euro. Nach Drehschluss hatte Oldman 400 Zigarren geraucht und lag mit Nikotinvergiftung beim Arzt. Wie streitbar Churchill war, kann Oldman gut vermitteln. Direkt in der ersten Szene, beim Aufeinandertreffen mit der neuen Sekretärin, kommt sein Temperament zur Geltung. Die Sekretärin verlässt aufgebracht das Haus, Ehefrau Clemetine erinnert ihren Mann an seine Manieren.
Auftritt Kristin Scott Thomas, die vergleichsweise wenige Szenen zu spielen hat und doch ist sie jedes Mal eine Erscheinung. Scott Thomas zeigt Clementine als eine Frau, die ihren Mann rückhaltlos unterstützt, allerdings auch beherzt eingreift, wenn sich dieser mal wieder übernimmt. Dass die beiden ein gutes Team sind, merkt man schnell.
Stephen Dillane als Viscount Halifax sollte ebenfalls noch namentlich und vor allen Dingen lobend erwähnt werden. Stannis aus dem Haus Baratheon schmiedet Intrigen, verbündet sich gegen Churchill und setzt diesen ordentlich unter Druck. Man kann ihn hassen, aber irgendwie auch seine Motive nachvollziehen. Zudem ist er ein würdiger Gegner.
Krieg und Frieden
DIE DUNKELSTE STUNDE ist das „Passion Project“ von Anthony McCarten. Nebenher veröffentlichte er auch noch das Sachbuch → Darkest Hour: How Churchill Brought England Back from the Brink. Das ist gar nicht so blöd, die Recherchen über Churchill weiterzuverwenden, wenn man eh über ihn forscht.
McCarten, auch Drehbuchautor von DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT, nahm sich für den Film einige → künstlerische Freiheiten heraus (besonders was die Rolle von Elizabeth Layton angeht und eine Szene, in der Churchill bei einer U-Bahn-Fahrt die Fahrgäste nach ihrer Meinung zum Krieg befragt), dennoch ist die Handlung durch die zahlreichen schwarzhumorigen Einwürfe gar nicht so düster, wie man vielleicht zunächst erwartet. Die Bedrohung des Krieges wirkt real, auch wenn die Kriegsszenen ganz offensichtlich mit dem gleichen schlechten Animatorenteam entworfen wurden wie die Szenen in THE IMITATION GAME. Die Ausstattung macht es möglich. Das unterirdische Bunkerlabyrinth sorgt für eine beklemmende Stimmung. Im letzten Drittel zieht sich die Handlung etwas, hier verliert sich DIE DUNKELSTE STUNDE etwas zu sehr in den ikonischen Momenten, die das große Finale bilden sollen.
5/6 bzw. 8/10
Trailer: © Universal Pictures Germany
2 thoughts on “Darkest Hour (DA, O, 2017)”