Die Regiearbeiten von Bastian Kraft, insbesondere seine Inszenierungen von LULU und WAS DER BUTLER SAH, haben dafür gesorgt, dass ich immer hellhörig werde, wenn mal wieder ein neues Stück unter seiner Regie entsteht. Obwohl ich die Romanvorlage von Thomas Mann nie gelesen habe, war meine Vorfreude auf dieses Stück groß. Die Geschichte der Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook wird in der Fassung vom Residenztheater von Hanno Buddenbrook (Nicola Mastroberardino) erzählt. BUDDENBROOKS konzentriert sich zunächst auf seinen Vater Thomas und dessen drei weitere Geschwister. Thomas Buddenbrook (Michael Wächter), der das Familienunternehmen nach dem Tod seines Vaters (Robert Dölle) übernehmen möchte. Seine Schwester Antonie (Liliane Amuat) ist eine lebenslustige Persönlichkeit, deren Glück jedoch durch unglückliche Ehen und familiäre Pflichten getrübt wird. Ihr Bruder Christian Buddenbrook (Thiemo Strutzenberger) stellt das Gegenstück zu Thomas dar. Er ist überhaupt nicht an einem Posten in der Firma interessiert, sondern ein unkonventioneller Freigeist, der sich den familiären Erwartungen weitestgehend entziehen möchte. Als nun Thomas nun die Musikerin Gerda (Nicola Kirsch) heiratet – eine Ehe, aus der schließlich Hanno hervorgehen wird – gerät das Geschäft der Buddenbrooks in eine Schieflage.
Akt I: Ein Auftakt wie aus dem Bilderbuch
Zur Pause von BUDDENBROCKS war ich absolut begeistert. Das Bühnenbild von Peter Baur mit seinen überdimensionalen Bilderrahmen, in denen Familienporträts verschwimmen und neu arrangiert werden, passt perfekt zur Darstellung dieser generationenübergreifenden Familiengeschichte. Die Art und Weise, wie Figuren in die Bilderrahmen hineinliefen, selbstbewusst auf ihnen standen oder überraschend hinter ihnen auftauchten, verleiht der Erzählung Dynamik und Spannung. Das Ensemble zeigte große Spielfreude. Besonders hervorzuheben sind Thomas Reisinger in seiner Doppelrolle als der liebestolle Herr Grünlich und als Münchner Bekanntschaft Alois Permaneder sowie Thiemo Strutzenberger als der unkonventionelle Bruder Christian, der sich mehr für das Leben außerhalb des Geschäfts interessiert. Lacher aus dem Publikum hatten die beiden auf ihrer Seite.
Akt II: Wo ist die Magie geblieben?
Leider konnte die zweite Hälfte von BUDDENBROOKS diese anfängliche Euphorie nicht aufrechterhalten. Als die Familiengeschichte der Kaufmannsfamilie immer trostloser wurde, spielte das Bühnenbild, das in der ersten Hälfte so effektvoll genutzt wurde, kaum mehr eine Rolle. Das kann natürlich auch ein Stilmittel gewesen sein um den finanziellen Stilstand auch im Bühnenbild sichtbar zu machen. Dennoch wirkte diese heruntergefahrene Bühnengestaltung angesichts der zuvor gezeigten Möglichkeiten wie unvollständig genutztes Potential. Es fühlte sich an, als wäre man einen Marathon gelaufen, aber kurz vor der Ziellinie zusammengebrochen. Passend dazu endete das Stück auch ziemlich abrupt. Ich möchte Krafts BUDDENBROOKS wirklich gerne mögen, kann es aber nicht in Gänze. Eigentlich hätte ich zur Pause gehen müssen, dann wäre dieses Hochgefühl nicht so schnell verflogen.
Epilog
Otto von Bismarck hat gesagt: „Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt“. Dieses Zitat lässt sich perfekt auf die Geschichte der Buddenbrooks anwenden. Die erste Generation, repräsentiert durch Johann Buddenbrook Senior, legt den Grundstein für den familiären Reichtum und Status. Sein Sohn Konsul Johann Buddenbrook bemüht sich, dieses Erbe zu verwalten und zu mehren. Dessen Sohn Christian Buddenbrook kümmert sich nicht mehr um die Firma, sondern geht in erster Linie persönlichen Interessen nach. Die vierte Generation, verkörpert durch den Erzähler Hanno Buddenbrook, ist schließlich von einer tiefen Melancholie geprägt. Das zu erzählen gelingt Bastian Kraft trotz der trostlosen zweiten Hälfte wirklich gut. Auch das prunkvolle Ambiente des Cuvilliés-Theaters trägt sicherlich zu dem Abend bei, weil der Reichtum der Buddenbrooks auch durch die opulente Architektur des Theaters verkörpert wird. Am Ende verblasst der Gesamteindruck aber etwas wie vergilbte Fotos in einer Familienchronik.
Gesehen am 29. Januar 2024 im Cuvilliés-Theater
7.5/10