NYMPHOMANIAC gilt als Abschluss der „Triologie der Depression“ von Lars von Trier. Den Mittelteil ebendieser Triologie bildet MELANCHOLIA, der weitaus weniger skandalös daherkommt → als sein Regisseur und mehr Wert auf eine packende Geschichte legt als auf die bewusste Provokation. Der Film ist in zwei Kapitel unterteilt. Kapitel Eins heißt Justine. Die Namensträgerin dieses Kapitels (Kirsten Dunst) hat eigentlich allen Grund zur Freude. Alle Verwandten sind gekommen um die Hochzeit von ihr und Michael (Alexander Skarsgård) zu feiern. Doch Justine kann sich nicht so recht freuen. Eine innere Traurigkeit erfasst sie immer wieder. Um niemanden zu verärgern, unterdrückt sie diesen Gemütszustand, schleicht sich immer wieder von der Hochzeitsgesellschaft fort, was nicht nur den Hochzeitsplaner (Udo Kier) völlig auf die Palme bringt. Auch Justines Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) und ihr Mann John (Kiefer Sutherland) versuchen zu retten, was zu retten ist und ermahnen die Braut immerwährend doch glücklich zu sein. Zur Stimmung trägt auch nicht das Gekeife zwischen den Brauteltern Gaby (Charlotte Rampling) und Dexter (John Hurt) bei. Michael und Justine überstehen die Hochzeit mit Mühe und Not, doch stellen in der Hochzeitsnacht fest, dass sie zum Ehepaar nicht taugen. Justine wird von ihrer Depression übermannt. Bald darauf taucht am Firmament der Planet Melancholia auf. Im zweiten Kapitel „Claire“ wird Justine von ihrer Schwester betreut und überwindet langsam ihren Zusammenbruch. John, der sich leidenschaftlich für Astronomie interessiert, gibt an, nach Berechnungen der Wissenschaftler werde Melancholia die Erde in unmittelbarer Nähe passieren, ohne dass es zu einem Kontakt kommt. Doch Claire traut ihrem Mann nicht, weil er sie beruhigt und ihr gut zuredet, aber heimlich Vorräte ins Haus bringt. Angesichts des nahenden Planeten verliert Claire zunehmend die Fassung, während Justine abgeklärt und selbstbewusst agiert.
Die traurige Braut
Denkt man an Katastrophenfilme oder Endzeitfilme sieht man vor seinem geistigen Auge meterhohe Wellen oder zerrüttete Erdplatten aus Roland-Emmerich-Filmen. Das das auch anders geht, beweist MELANCHOLIA. Der Begriff „Katastrophenfilm“ ist aber wesentlich passender, da der Film nicht nur die großen weltbewegenden Katastrophen dokumentiert, sondern auch die kleinen unscheinbaren. Die Ignoranz, das Nicht-Zuhören, der Egoismus. Das Ensemble ist erstklassig besetzt, sogar die Nebenrollen machen unglaubliche Freude. Besonders Udo Kier, der als Wedding Planer bei der Hochzeit derart von der Braut angewidert ist, dass er sich jedes Mal, wenn er sie sieht, die Hand vor das Gesicht hält, oder Charlotte Rampling als Negativität auf zwei Beinen, fallen besonders auf. Aber besonders Kirsten Dunst spielt die Melancholie, die Lustlosigkeit und Schwäche ebenso bravourös wie die Stärke ihrer Figur zu Filmende hin. Man spürt förmlich wie jede Aufforderung, jedes „Du sollst“, ihre Kräfte schwinden lässt. Ihr Gegenpol ist ihre Filmschwester Charlotte Gainsbourg, deren einzige Funktion es zu sein scheint, die vernünftige Aufpasserin und Krankenschwester für ihre Schwester zu spielen.
Die Kamera agiert reaktiv, d. h. sie tut so, als wüsste sie nicht, was als Nächstes passiert. Zusammen mit der Handkamera sorgt das für einen dokumentarischen Charakter. Darauf muss man erst einlassen. Dennoch verfügt der Film auch über träumerische Momente mit einer poetisch komponierten Bildsprache. Die Mischung aus Realem und Fantastischem macht’s. Der sparsame Einsatz von Musik sorgt für Dramatik an den richtigen Stellen (das immerkehrende „Tristan und Isolde“-Thema von Richard Wagner gefällt sicherlich nicht jedem). Pausen im Spiel sorgen für Spannung. Weiter bezieht sich von Trier immer wieder auf Gemälde. Das Titelbild bezieht sich auf das Gemälde „Ophelia“ des britischen Künstlers Sir John Everett Millais. Wer bei HAMLET gut aufgepasst hat, kann nun auch Rückschlüsse auf Justines Charakter ziehen. MELANCHOLIA zeichnet ein glaubwürdiges Portrait einer Depressiven und ihrer Umwelt, zeigt aber auch den Umgang mit Lebenskrisen und dem nahen Tod.
Kirsten rockt den Film (5/6)
Trailer: © Concorde Filmverleih
Diesmal kann ich Dir leider nicht zustimmen, ich fand den Film furchtbar langweilig. Leider 🙁 Aber schön, dass er Dir gefallen hat!
Ich hatte ja auf den dokumentarischen Charakter hingewiesen, auf den man sich einlassen muss. Im „echten Leben“ ist auch nicht jeder Moment spannungsgeladen, daher konnte ich etwaige Durststrecken verkraften.
Der beste Weltuntergangsfilm ever und das in den schönsten Bildern…
Gefiel mir auch besser als das typische Emmerich-Spektakel.
Emmerich-Filme kann ich sowieso irgendwie nicht mehr ernst nehmen. Dabei hat er mit „Independence Day“ doch mal richtig gutes Kino gemacht.