Paradise (2023)

Die deutsche Filmwirtschaft kann eigentlich Science-Fiction. Zumindest gab es mal eine Zeit, in der deutsche Filme wie zum Beispiel Fritz Langs METROPOLIS Meilensteine des Genres geschaffen haben. In den letzten 20 Jahren befanden sich aber nur wenige deutsche Science-Fiction-Stoffe in Entwicklung. Eine Ausnahme bildet PARADISE von Regisseur Boris Kunz, der sich mit Netflix im Rücken an das Genre heranwagt. In seiner Zukunftsvision ist es möglich, die Lebenszeit von einer Person auf eine andere zu übertragen. Das Biotech-Start-up AEON macht mit dieser Methode Milliardengewinne. Die Firma hat mit seiner Technik das Leben auf der ganzen Welt für immer verändert, aber auch Einfluss auf das Justizsystem. Elena (Marlene Tanczik) wird eines Tages mit Versicherungsansprüchen konfrontiert, die sie nicht bedienen kann. Als Konsequenz muss sie 40 Jahre ihres Lebens an AEON abtreten. Ihr Mann Max (Kostja Ullmann) arbeitet für AEON und setzt daraufhin alle Hebel in Bewegung, um Elenas verlorene Lebensjahre irgendwie zurückzuholen. Er findet schließlich heraus, dass es die Geschäftsführerin Sophie Theissen (Iris Berben) von AEON gezielt auf Elenas Lebenszeit abgesehen hat.

Szenenbild aus PARADISE (2023) von Boris Kunz - Innovative CEO: Sophie Theissen (Iris Berben) - Cr. Courtesy of Netflix © 2023
Innovative CEO: Sophie Theissen (Iris Berben) – Cr. Courtesy of Netflix © 2023

Bekannte Themen, bekanntes Setting

PARADISE vereint zwei derzeit populäre Filmthemen: die „Eat the Rich“-Message, die auch in Werken wie SALTBURN oder THE MENU zu finden ist, und die Idee von Zeit als Währung wie in IN TIME. Neue, eigene Ideen zum Themenkomplex darf man hier nicht erwarten, allerdings werden die bekannten Elemente zu einem packenden, neuen Ganzen vermischt. Am Ende kommt trotzdem ein recht unterhaltsames Endprodukt heraus. Die Hauptrollen werden von Kostja Ullmann und Corinna Kirchhoff verkörpert. Ullmann spielt einen Protagonisten, dessen Darstellung mich an Jon Snow aus der achten Staffel von GAME OF THRONES erinnert hat. Was bei Jon Snow das mantrahafte „She’s my queen“ ist, ist bei Max die Tatsache, dass er einfach konsequent die aktuellen Gegebenheiten ignoriert. Da ist seine Frau, die ohne ihn alt werden muss und damit sichtlich Probleme hat und er ignoriert ihre Bedenken und behandelt das wie eine umkehrbare Zwischenlösung. Marlene Tanczik als junge Elena und Corinna Kirchhoff als ältere Elena durchlaufen eine emotionale Entwicklung, die insbesondere gegen Ende des Films etwas unglaubwürdig erscheint, was aber nicht am Schauspiel, sondern eher am durchwachsenen Drehbuch liegt.

Szenenbild aus PARADISE (2023) von Boris Kunz - Elena (Marlene Tanczik) wird Lebenszeit gestohlen. - Cr. Courtesy of Netflix © 2023
Elena (Marlene Tanczik) wird Lebenszeit gestohlen. – Cr. Courtesy of Netflix © 2023

Spannende Erzählung

Die Erzählstruktur von PARADISE folgt oft dem Muster: Etwas passiert – Warum passiert das? – Ah, deshalb. Ein Beispiel dafür ist eine Szene, in der eine fremde Familie den Hauptfiguren bei der Flucht hilft, was zunächst unlogisch erscheint, bis sich herausstellt, dass Max sie mit einer Waffe bedroht. Dadurch bleibt der Film über weite Strecken sehr spannend, weil eben nicht alles sofort erklärt wird. Auch visuell kann PARADISE überzeugen. Die Netflix-Finanzierung zeigt sich im Kontrast von überfüllten Flüchtlingslagern und verlassenen Untergrundbunkern zu schicken Fassaden, betongrauen Innenräumen mit gezielter Lichtführung und gelegentlicher Begrünung. Die Special Effects sehen alle richtig gut aus und die Endzeitstimmung wird gut transportiert. Die schauspielerischen Leistungen sind solide, wenn auch nicht herausragend. Mein Highlight war aber Iris Berben als Sophie Theissen, die hier eine Mischung aus Guru, genialer Wissenschaftlerin und knallharter Businessfrau spielen darf.

Szenenbild aus PARADISE (2023) - Max (Kostja Ullmann) schreckt auch vor Waffengewalt nicht zurück. - © Netflix
Max (Kostja Ullmann) schreckt auch vor Waffengewalt nicht zurück. – © Netflix

Unterhaltung made in Germany

Neue Maßstäbe kann die deutsch-litauische Produktion nicht setzen. Das ist aber vielleicht auch gar nicht schlimm, denn das erwartet man von Netflix auch nicht unbedingt. Ich zumindest tu das nicht. Der Film reiht sich ein in den typischen Stil von Netflix-Produktionen: kompetent umgesetzt, unterhaltsam, aber kein cineastisches Neuland. PARADISE bietet solide Unterhaltung für Science-Fiction-Fans und diejenigen, die gesellschaftskritische Themen in einem futuristischen Setting mögen. Die visuelle Gestaltung kann durchaus von der durchschnittlichen Geschichte ablenken und diese aufwerten. Für einen entspannten Netflix-Abend reicht es allemal.

PARADISE ist ein Netflix-Produktion und somit exklusiv über den Streamingdienst Netflix abrufbar.

7.5/10

Bewertung: 7.5 von 10.

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