Im Jahr bevor Sandra Bullock zu MISS UNDERCOVER und Viggo Mortensen zum Thronanwärter Aragorn wurde, spielten beide in einem eher unbekannten Suchtdrama mit. Darin vermasselt die Schriftstellerin Gwen (Sandra Bullock) die Hochzeit ihrer Schwester Lily (Elizabeth Perkins). Völlig betrunken und voller Drogen tanzt sie wild mit ihrem ebenfalls angeheiterten Freund Jasper (Dominic West) und landet dabei rücklings in der Hochzeitstorte. Gwen möchte Ersatz beschaffen, schnappt sich ein Auto und macht sich auf den Weg zur nächsten Konditorei, wird dort aber nie ankommen. Nachdem sie einige Kilometer in Schlangenlinien zurückgelegt hat, fährt sie schließlich in die Veranda eines Wohnhauses und wird verhaftet. Gwen hat nun zwei Möglichkeiten: entweder eine 28-tägige Zwangsentziehungskur oder Gefängnis. Gwen entscheidet sich für die Entziehungskur in der Einrichtung unter der Leitung von Cornell Shaw (Steve Buscemi). Nur widerwillig fügt sich Gwen in die immer singende und betende Hausgemeinschaft ein. Nach anfänglichen Problemen freundet sie sich mit ihrer Mitbewohnerin Andrea (Azura Skye), einem heroinabhängigen 17-jähriges Mädchen, an. Jasper besucht Gwen zwar regelmäßig, erkennt aber schnell, das sich seine Freundin verändert. Heimlich mitgebrachten Alkohol verschmäht seine Liebste. Stattdessen entwickelt sie Sympathien für den ebenfalls eingelieferten Baseballstar Eddie Boone (Viggo Mortensen).
Pferdekacke gegen Alkoholsucht
Das amerikanische Kino liebt seine gefallenen Helden. Zumindest, wenn sie ihren Absturz erkennen und daraus lernen. 28 TAGE ist eine dieser Geschichten über eine Suchtkranke, die schließlich ihre Krankheit überwindet. Sandra Bullock spielt das Klischee in Reinform: eine suchtkranke Schriftstellerin. Aber damit ist sie nicht alleine. Alle Bewohner der Entzugsklinik entsprechen allesamt den Klischees von Typen, die man an solch einem Ort erwarten würde. Trotzdem schafft es der Film, dass man die Figuren ernst nimmt. Dies liegt hauptsächlich an der Besetzung, denn Sandra Bullock muss man einfach gernhaben. Ihr gelingt es, dass der Zuschauer sowohl Sympathie als auch Abscheu für ihre Gwen entwickelt. Dominic West ist mit ambivalenten Figuren vertraut, allerdings bekommt man das Gefühl, dass er hier nicht alles zeigen kann, was er schauspielerisch zu bieten hat. (Als Randbemerkung seien hier die Mini-Serie THE HOUR und das BBC-Drama BURTON AND TAYLOR erwähnt, wo Dominic West ebenfalls (Ex-)Alkoholiker spielt – und das um einiges besser als in diesem Film). Das gleiche Gefühl hat man auch bei Viggo Mortensen, der wohl erst in DER HERR DER RINGE zeigen konnte, was in ihm steckt. Lediglich Azura Skye als Zimmernachbarin von Gwen fällt positiv auf. Ihre naive, dann aber wieder sehr selbstzerstörerische Art, bleibt im Gedächtnis.
Sicherlich mag man monieren, dass die Story etwas zu flach erzählt ist. Wenn man allerdings weiß, dass es sich bei Betty Thomas um die Regisseurin von DR. DOLITTLE und cineastischem Müll wie JOHN TUCKER MUST DIE handelt, darf man hier keine inhaltlich tiefe Geschichte erwarten. Natürlich hatte Gwen eine schwierige Kindheit, die in bruchstückhaften Rückblenden immer wieder angesprochen wird. Natürlich hat sie schlechten Umgang und einen miserablen Freund. Und natürlich muss sie während ihrer Therapie Pferdeboxen ausmisten und Umhängetafeln tragen. Es klingt alles wie aus dem Handbuch für große Dramatik. Zweifelhaft bleibt außerdem, warum in der Rehaklinik alle Süchtigen rauchen dürfen, quasi als Ersatzdroge. Wusste man im Jahr 2000 noch nicht, dass Rauchen ebenfalls süchtig macht? Das Filmende ist märchenhaft und kitschig zugleich und passt so gar nicht zu dem vorher erzählten Plot über die Leiden des kalten Entzugs. Hier wurde krampfhaft versucht ein Happy End nach Hollywoodvorbild zusammenzuschustern, welches einen faden Nachgeschmack hinterlässt.
Klischeebehaftetes Drama (4/6)