Es gibt wohl keine Person in der jüngeren US-Geschichte, die in letzter Zeit so gefeiert und gehypt wird wie Ruth Bader Ginsberg. Die Juristin ist seit 1993 Beisitzende Richterin am Supreme Court. Nun packte ihr Neffe Daniel Stiepleman ihre Geschichte in das Drehbuch von ON THE BASIS OF SEX. In den 50er Jahren sind Frauen und Männer in den USA zwar in der Theorie gleichgestellt, dennoch gibt es zahlreiche Bereiche, in denen Frauen benachteiligt oder diskriminiert werden. Ruth Bader Ginsberg (Felicity Jones) ist eine von neun Frauen, die in Harvard ein Jura-Studium absolviert. Obwohl sie ihr Studium als Jahrgangsbeste abschließt, wollen sie die Kanzleien nicht einstellen. Als Sekretärin schon, aber nicht als Anwältin. Sie nimmt eine Professur an, obwohl sie viel lieber bei Gericht arbeiten möchte. Ihr Mann Marty (Armie Hammer) macht sie schließlich auf den Fall von Charles Moritz (Chris Mulkey) aufmerksam. Dieser kümmert sich um seine kranke Mutter, bekommt aber aufgrund seines Geschlechts keinen Steuererlass, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Frauen die Rolle der Pflegeperson übernehmen. Ruth übernimmt das Mandat von Charles Moritz und zieht vor Gericht.
Klassische Heldengeschichte
Hollywood liebt seine Helden, auch die alltäglichen. Ruth Bader Ginsburg gehört wohl in diese Kategorie. Als ältestes Mitglied des Supreme Courts sind ohnehin viele Augen auf sie gerichtet. Und gerade in Zeiten von #metoo, in denen die Filmbranche selbst und auch das Publikum nach starken Frauenrollen verlangt, da passt so ein Film wie die Faust auf’s Auge. ON THE BASIS OF SEX hat im deutschsprachigen Raum den unnötig sperrigen Titel DIE BERUFUNG – IHR KAMPF FÜR GERECHTIGKEIT bekommen. Doch auch ohne den schwachsinnigen deutschen Titel zu berücksichtigen, ist der Film dann doch relativ gefällig. Nicht langweilig zwar, aber auch ziemlich konventionell erzählt. Ein klassisches Biopic eben. Ich hatte das Gefühl die gleiche Geschichte schon in 20-facher Ausführung irgendwo anders gesehen zu haben. Dieser Eindruck mag sicherlich auch mit der Tatsache zusammenhängen, dass Felicity Jones die Hauptrolle spielt. Jones hat sich bei mir durch ihre Rolle als Filmehefrau in THE THEORY OF EVERTHING total in der Drama-Ecke bei mir eingebrannt, auch wenn sie immer wieder in Blockbustern wie INFERNO oder STAR WARS: ROGUE ONE zu sehen ist.
Die Chemie stimmt
Dabei muss man sagen, dass die Chemie zwischen Jones und ihrem Filmmann Armie Hammer wirklich stimmt. Man spürt die gelebte Gleichberechtigung in ihrer Beziehung. Besonders im Kontrast zur Diskriminierung im Alltag wirkt diese nicht nur progressiv, sondern auch wie ein surreales Ideal. Man spürt, wie viel Anstrengung es braucht, die Umstände zu ändern. Das zeigt sich auch in Momenten wenn etwa der Dekan der juristischen Fakultät die einzigen neun Jura-Studentinnen zu einem Dinner einlädt um sie dann vorzuführen und zu fragen, warum sie einem Mann den Platz wegnehmen. Die echte Ruth Bader Ginsburg darf am Ende des Films noch einmal selbst erscheinen. So bewundernswert ihre Arbeit auch ist, verwandelt sich dieses Lebenswerk durch ON THE BASIS OF SEX in eine Geschichte voller Pathos. Biopics haben schnell einmal diesen Touch. Der Film ist ein guter Einstieg für alle, die sich mit dieser außergewöhnlichen Frau mehr beschäftigen möchten. Er ist auch unterhaltsam mit soliden schauspielerischen Leistungen, wird aber einer zweiten oder dritten Sichtung nicht standhalten.
4/6 bzw. 6.5/10
Der Film erscheint am 22.08.2019 auf DVD und Blu-Ray. Zur Erstellung der Kritik wurde mir von Universal Pictures freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinen Einfluss auf meine Wertung.
1 thoughts on “On the Basis of Sex (OmU, 2019)”