Wenn ein Filmverleiher Postkarten druckt mit der Aufschrift “Willst du den besten Film des Jahres sehen?”, dann klingt das schon stark überzogen. Es klingt nach überheblicher Promotion. Das denke ich jedes Mal, wenn ein Filmverleiher mit Superlativen um sich wirft. Wer kann schon sagen, was der beste Film ist? Doch Verleiher DCM war wirklich überzeugt von diesem Film und nach dem Kinobesuch ist mir auch klar warum. MOONLIGHT gehört tatsächlich zu den besten Filmen des vergangenen Jahres, nicht nur, weil die Academy of Motion Pictures Arts & Sciences ihn vor zwei Monaten dazu erklärt hat.
Die Geschichte ist teilweise autobiografisch und handelt vom neunjährigen „Little“ (Alex R. Hibbert), der eigentlich Chiron heißt. In der Schule wird er gehänselt und seine Mutter Paula (Naomie Harris) driftet durch ihre Cracksucht immer mehr ins Abseits und kann sich nicht mehr um ihren Sohn kümmern. Little vertraut sich dem Drogenhändler Juan (Mahershala Ali) und dessen Freundin Teresa (Janelle Monáe) an. Die beiden schaffen es, dass der schweigsame Junge Vertrauen fasst und sich öffnet. Jahre später im Teenageralter hat Chiron (Ashton Sanders) Probleme an der Highschool. Nicht nur mit seinen Mitschülern, sondern auch mit der Tatsache, dass er erkennt, dass er in seinen besten Kumpel Kevin (Jharrel Jerome) verliebt ist. Ende 20 nennt sich Chiron Black (Trevante Rhodes) und ist selbst Drogendealer. Als ihn Kevin (André Holland) überraschend anruft, macht sich Black sofort auf den Weg zu Kevin nach Miami.
Stark, stärker, Moonlight
Der beste Film geht immer an die beste Gesamtleistung und die ist in MOONLIGHT mehr als offensichtlich. Es ist ein unfassbar starker Cast. Nicht nur Mahershala Ali, der einen Oscar bekam, obwohl er nur im ersten Drittel zu sehen ist. Nicht nur Naomie Harris, die alle ihre Szenen innerhalb von drei Tagen abgedreht hat, da es Probleme mit ihrem Visum gab. Nicht nur Alex R. Hibbert, Ashton Sanders und Trevante Rhodes, mit denen man mitleidet und hofft und bangt. Die Formulierung, die Figuren seien dreidimensional, ist mittlerweile derart abgedroschen, dass sie dem Film in keinster Weise gerecht wird, auch wenn sie inhaltlich zutreffend ist. Man wird in die Handlung hineingezogen. Minimale Längen ist verschmerzbar. Man läuft mit Chiron durch die Schule, nachhause, an den Strand. Man ist dort. In Miami, Florida. Zu verschiedensten Zeiten. Nicht so fließend wie bei BOYHOOD, eher fragmentarisch, kantig. Bruchstücke eines Lebens. Vieles bleibt ungesagt oder unerklärt und der Interpretation des Zuschauers überlassen.
Fressen und gefressen werden
Irgendwo habe ich gelesen oder gehört, der Film sei ein Abgesang auf den amerikanischen Traum. Es gibt diesen Mythos, dass man in Amerika alles erreichen kann, wenn man es nur wirklich will. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Auch der Drogendealer Juan sagt zu “Little”, dass sich jeder an einer Stelle im Leben entscheiden müsste, wer man sein will. Aber am Ende – soviel kann ich wahrscheinlich verraten ohne zu spoilern – kommt es nicht zum großen Happy End. MOONLIGHT erzählt nicht von einem Jungen, der in schwierigen Verhältnissen aufwächst und dann einen märchenhaften Aufstieg hinlegt. Der es einmal besser hat. Chiron ist ein Gefangener in einem System, in dem man entweder der ist, der frisst oder der, der gefressen wird. Nach Jahren des Gefressenwerdens und Auf-die-Fresse-Kriegens entscheidet er sich dazu ein harter Kerl zu werden. Aber der harte Kerl hat immer noch eine zarte Seite daund die kitzelt Trevante Rhodes großartig im letzten Drittel heraus.
(5.5/6 bzw. 9.5/10)
Trailer: © DCM Filmverleih
Ich konnte mich mit dem Film nicht so anfreunden. Dafür waren mir die einzelnen Kapitel ein wenig zu schwach. Gerade das mittlere hätte meiner Meinung nach viel mehr noch in die Tiefe gehen müssen. Es ist ein toller Film, ohne Frage, aber so ganz konnte er mich nicht überzeugen.