Nachdem Martin Freeman durch CIVIL WAR dieses Jahr seinen Platz im MCU gefunden hat, folgt nun SHERLOCK-Kollege Benedict Cumberbatch. Dieser spielt den egozentrischen Neurochirurgen Dr. Stephen Strange. Nach einem Autounfall, den er schwer verletzt überlebt, kann er nicht mehr operieren, da seine Hände massiv geschädigt sind. Durch Zufall erfährt er von einem Heilmittel und reist nach Kathmandu in Nepal. Dort trifft er die Älteste (Tilda Swinton), eine Zaubererin. Doch die verwehrt ihm zunächst den Wunsch auf Heilung. Doch durch den Zuspruch von Baron Mordo (Chiwetel Ejiofor), der als Schüler im sogenannten Kamar-Taj lebt, ändert sie ihre Meinung. Durch Hartnäckigkeit und Fleiß erzielt Strange rasche Erfolge als Zauberer, auch wenn er diese noch nicht dazu einsetzen kann um seine Hände wieder zu heilen. Zeitgleich erfährt er von einem sehr begabten ehemaligen Schützling der Ältesten, der zu einer Gefahr werden könnte. Kaecilius (Mads Mikkelsen) hat sich einer dunklen Macht verschrieben und möchte die drei Tempel des Ordens, die die Erde von der finsteren Dimension beschützen, zerstören. In der finsteren Dimension spielt Zeit keine Rolle und Kaecilius möchte dadurch den Menschen ein ewiges Leben garantieren. Strange gerät zwischen die Fronten und muss sich am Ende gegen den Herrscher der finsteren Dimension Dormammu behaupten.
FRANKENSTEIN Reprise
Auch wenn man es kaum glauben mag, aber Benedict Cumberbatch spielt nicht nur die Hauptrolle, sondern gleichzeitig auch den großen Endgegner Dormammu. Man fühlt es sofort an seine Doppelrolle als Wissenschaftler Victor Frankenstein und seine Schöpfung in FRANKENSTEIN erinnert. → Dieser „Cameoauftritt“ war eine Idee von Cumberbatch selbst und Regisseur Scott Derrickson, der sowieso vorhatte, Dormammu mittels CGI zum Leben zu erwecken, mochte die Idee, da er in Dormammu und Stephen Strange zwei Seiten der gleichen Medaille sah. Mit anderen Worten: Beide haben ein gigantisches Egoproblem, aber jeder geht damit anders um. In dem finalen Endkampf der beiden offenbart sich auch der trockene Humor, der sich durch den gesamten Film zieht. Die Wortspiele mit „strange“/eigenartig sind wohl dosiert und besonders in den Sequenzen des Kampfes um den New Yorker Tempel wird das Witzpotenzial einfach an den eigensinnigen, roten Umhang auslagert, der Strange zu Hilfe kommt und später sein ständiger Begleiter wird. Gerade durch den überdurchschnittlich für einen Marvelfilm auftauchenden Witz und weil es sich um eine Origin-Story handelt, ist der Film auch für Nicht-Kenner der Comics und des MCUs bestens geeignet.
Ein Skandal, der keiner war
Die Besetzung von Tilda Swinton auf die Rolle des „Ancient One“ zog den Unmut einiger Fans auf sich, da die Rolle in den Comics ein asiatischer Mann ist. Sofort war von Whitewashing die Rede (→ How is this still a thing?). Schaut man sich allerdings den fertigen Film an, wirkt die Besetzung von Swinton weder fehlerhaft noch unpassend. Gerade ein Film, der aus einer männliche Hauptrolle, einem männlichen Bösewicht und zwei männlichen Strange-Unterstützern besteht, verträgt einen höheren Frauenanteil. Rachel McAdams tritt weitestgehend nur als Stichwortgeberin und als ein moralisches Gegengewicht auf, das selten Gehör findet. Die Älteste hingegen hat wesentlich mehr Einfluss auf Strange, schlichtweg, weil sie seinem Ego und seiner Exzentrik durch ihre Zauberkraft mehr entgegenzusetzen hat.
Visuelles Feuerwerk
Man kommt nicht umhin DOCTOR STRANGE für die fantastischen Special Effects zu loben. Nach den ersten veröffentlichten Trailern wurden bereits Vergleiche mit INCEPTION und MATRIX aufgemacht, die auch durchaus ihre Berechtigung haben. Gelungen ist auch die Tatsache, dass sich diese Szenen auf ein Minimum beschränken und nur konzentriert, insbesondere für Kampfszenen, eingesetzt werden. Die Narration kommt zügig voran, allerdings wirken manche Szenen auch ein bißchen zu schnell erzählt. So wird der Wandel vom exzellenten Neurochirurgen über den jammernden Schwächling zum wissbegierigen Schüler und schließlich zum obersten Zauberer weitestgehend schnell abgefrühstückt. Zudem fällt auf, dass Dr. Strange viele Dinge schlichtweg nicht infrage stellt. Dies fällt besonders auf, wenn er zum ersten Mal auf den roten Schwebeumhang trifft und keinerlei Fragen stellt, warum der Umhang gerade ihn ausgesucht hat oder was der Umhang überhaupt kann. Es wirkt, als hätte der Regisseur hier noch etwas herausgeschnitten oder gar nicht erst gedreht. Dies darf man aber keinesfalls Benedict Cumberbatch anlasten, der beweist, dass er nicht nur shakespearische Stoffe, sondern auch buntes Blockbusterkino kann.
5/6 bzw. 8.5/10
Trailer: © Marvel Deutschland
Erstaunlich um wie viel besser 5/6 klingt im Vergleich zu 8,5/10. Wobei Zweiteres sogar eine bessere Bewertung darstellt.
Bin ja nicht ganz so angetan wie du, dazu hat mich der Bösewicht zu kalt gelassen. Aber nett zu lesende Kritik.
Ich persönlich würde ja gerne bei meiner 0-6-Wertung bleiben, aber es gab Anregungen von einem Leser, auf eine 10er-Wertung umzustellen. Ich bin aber so an mein Schulnotensystem gewöhnt, dass mir die Umstellung wirklich schwer fällt. Manchmal runde ich bei den 10er-Wertungen um 0,5 auf oder ab, wenn ich denke, es beschreibt den Film besser.
Bei Letterboxd (http://letterboxd.com/adoringaudience/) muss ich dann alles wieder auf 5 Punkte herunterrechnen. Bei Krittiq (https://de.krittiq.com/user/filmkompass) reicht es dagegen, wenn ich zwischen „Liebe“, „Okay“ und „Hass“ unterscheide. Da bekommt man echt den Eindruck, egal, wie man es macht, es ist eh falsch. Daher freue ich mich, wenn meine Leser meine komplette Kritik lesen und nicht nur die Punktewertung als Grundlage nehmen.