Das Warm-up
Um halb eins klingelt der Handywecker. Neues Jahr, neue Oscar-Verleihung. Und in diesem Jahr sollte ja wirklich alles anders werden. Nachdem der Hashtag #OscarsSoWhite im letzten Jahr für ordentlich Wirbel gesorgt hatte, wollte man dieses Jahr alles besser machen.Tja, Pustekuchen. Für die Academy gab es ordentlich Gegenwind einschließlich Boykottaufrufe diverser afroamerikanischer Filmemacher und eine Diskussion bei der sich so ziemlich jeder zweite Schauspieler seinen Senf dazugegeben hat. Ich bin zufrieden, dass die meisten Filme – mit Ausnahme von ROOM und TRUMBO – bereits in den deutschen Kinos angelaufen sind und ich die meisten auch schon gesehen habe. Leider ist ja Kinoexperte Steven Gätjen zum ZDF abgewandert und führt deshalb nicht die Promi-Interviews am roten Teppich. Annemarie Carpendale hat ihn beerbt und naja, ich vermisse Steven. Der offizielle Pro7-Livestream verweigerte der neuen Moderatorin ebenfalls die Gefolgschaft und fiel aus. Vielleicht lag es ja an den miserablen Fragen, die Carpendale stellte. Hier mal ein paar Negativ-Beispiele:
Frage an Olivia Wilde: What are you doing here? Are you presenting?
Frage an Henry Carvill: Your family ring. What does it mean to you?
Frage an Jared Leto: What is the story about the shoes?
Kommentar über Jennifer Lawrence: Wir wissen nicht, warum sie so spät ist, aber sie ist schön und das ist doch die Hauptsache.
Die Höhepunkte der Verleihung
Die gute Nachricht vorweg: Leonardo DiCaprio hat endlich einen Oscar und dabei über beide Backen gegrinst. Die Zeit der Schmähposts und Bärenmeme ist also vorbei. Moderator Chris Rock teilte in seinem Opening ordentlich aus, auch gegen seine „eigenen Leute“, die dachten durch einen Boykott etwas zu erreichen. „Why are we protesting this Oscars? It’s the 88th Academy Awards, which means this no black nominees thing happened 71 other times.“ Recht hat der Mann. Und einen guten Job hat er auch gemacht. Die „White people’s choice awards“ hat er wirklich gut gemeistert. In einem Einspieler befragte er mal afroamerikanische Kinobesucher zu ihrer Meinung. Das finde ich schon deshalb gut, weil sich der Geschmack der Academy und der Publikumsgeschmack schon seit Jahren immer mehr voneinander entfernt haben. Einen Schritt auf das Publikum zu ging man wohl auch mit Gastauftritten von R2-D2 und C3PO, Woody und Buzz Lightyear aus TOY STORY und den Minions. Ryan Gosling und Russell Crowe ließen → ihren „Streit“ aus dem letzten Jahr vom Australischen Filmpreis wieder aufleben.
Wo Licht ist, ist auch Schatten…
Negativ fiel besonders Sam Smiths Gesang auf. Dass „Writing’s on the wall“ (SPECTRE) überhaupt nominiert war, ist eigentlich schon fast ein Unding. Und dann gewann der Song auch noch einen Oscar. Unfassbar. Gleiches gilt für SPOTLIGHT. Der Film wurde als bester Film ausgezeichnet, was niemand so wirklich versteht. Außerdem lief die Veranstaltung ab wie in einem Uhrwerk. Es gab keine großen emotionalen Ausbrüche, alles war sehr zivilisiert. Einzig Lady Gaga zeigte bei der Performance ihres Songs mal Gefühle, in diesem Fall Wut und Trauer. Nach ihrem Auftritt waren weite Teile des Publikums einschließlich mir emotional völlig fertig.
Hier die komplette Übersicht:
Bester Film
The Big Short – Brad Pitt, Dede Gardner, Jeremy Kleiner
Bridge of Spies – Der Unterhändler – Steven Spielberg, Marc Platt, Kristie Macosko Krieger
Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten– Finola Dwyer, Amanda Posey
Mad Max: Fury Road – Doug Mitchell, George Miller
Der Marsianer – Rettet Mark Watney (The Martian) – Simon Kinberg, Ridley Scott, Michael Schaefer, Mark Huffam
Raum (Room) – Ed Guiney
The Revenant – Der Rückkehrer (The Revenant) – Arnon Milchan, Steve Golin, Alejandro G. Iñárritu, Mary Parent, Keith Redmon
Spotlight – Michael Sugar, Steve Golin, Nicole Rocklin, Blye Pagon Faust
Beste Regie
Lenny Abrahamson – Raum
Alejandro G. Iñárritu – The Revenant – Der Rückkehrer
Tom McCarthy – Spotlight
Adam McKay – The Big Short
George Miller – Mad Max: Fury Road
Bester Hauptdarsteller
Bryan Cranston – Trumbo
Matt Damon – Der Marsianer – Rettet Mark Watney
Leonardo DiCaprio – The Revenant – Der Rückkehrer
Michael Fassbender – Steve Jobs
Eddie Redmayne – The Danish Girl
Beste Hauptdarstellerin
Cate Blanchett – Carol
Brie Larson – Raum
Jennifer Lawrence – Joy – Alles außer gewöhnlich
Charlotte Rampling – 45 Years
Saoirse Ronan – Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten
Bester Nebendarsteller
Christian Bale – The Big Short
Tom Hardy – The Revenant – Der Rückkehrer
Mark Ruffalo – Spotlight
Mark Rylance – Bridge of Spies – Der Unterhändler
Sylvester Stallone – Creed – Rocky’s Legacy
Beste Nebendarstellerin
Jennifer Jason Leigh – The Hateful Eight
Rooney Mara – Carol
Rachel McAdams – Spotlight
Alicia Vikander – The Danish Girl
Kate Winslet – Steve Jobs
Bestes adaptiertes Drehbuch
Emma Donoghue – Raum
Drew Goddard – Der Marsianer – Rettet Mark Watney
Nick Hornby – Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten
Phyllis Nagy – Carol
Charles Randolph, Adam McKay – The Big Short
Bestes Originaldrehbuch
Matt Charman, Ethan und Joel Coen – Bridge of Spies – Der Unterhändler
Pete Docter, Meg LeFauve, Josh Cooley (Story von Pete Docter, Ronnie del Carmen) – Alles steht Kopf (Inside Out)
Alex Garland – Ex Machina
Jonathan Herman, Andrea Berloff (Story von S. Leigh Savidge, Alan Wenkus, Andrea Berloff) – Straight Outta Compton
Josh Singer, Tom McCarthy – Spotlight
Beste Kamera
Roger Deakins – Sicario
Ed Lachman – Carol
Emmanuel Lubezki – The Revenant – Der Rückkehrer
Robert Richardson – The Hateful Eight
John Seale – Mad Max: Fury Road
Bestes Szenenbild
Adam Stockhausen; Rena DeAngelo, Bernhard Henrich – Bridge of Spies – Der Unterhändler
Eve Stewart; Michael Standish – The Danish Girl
Colin Gibson, Lisa Thompson – Mad Max: Fury Road
Arthur Max; Celia Bobak – Der Marsianer – Rettet Mark Watney
Jack Fisk; Hamish Purdy – The Revenant – Der Rückkehrer
Bestes Kostümdesign
Paco Delgado – The Danish Girl
Jacqueline West – The Revenant – Der Rückkehrer
Sandy Powell – Carol
Jenny Beavan – Mad Max: Fury Road
Sandy Powell – Cinderella
Beste Filmmusik
Ennio Morricone – The Hateful Eight
Thomas Newman – Bridge of Spies – Der Unterhändler
Jóhann Jóhannsson – Sicario
John Williams – Star Wars: Das Erwachen der Macht
Carter Burwell – Carol
Bester Filmsong
„Earned It“ aus Fifty Shades of Grey – Abel Tesfaye, Ahmad Balshe, Jason Daheala Quenneville, Stephan Moccio
„Manta Ray“ aus Racing Extinction – Joshua Ralph, Antony Hegarty
„Simple Song #3“ aus Ewige Jugend – David Lang
„Til It Happens To You“ aus The Hunting Ground – Diane Warren, Lady Gaga
„Writing’s on the Wall“ aus James Bond 007: Spectre – Sam Smith, Jimmy Napes
Bestes Make-up und beste Frisuren
Lesley Vanderwalt, Elka Wardega, Damian Martin – Mad Max: Fury Road
Love Larson, Eva von Bahr – Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
Siân Grigg, Duncan Jarman, Robert A. Pandini – The Revenant
Bester Schnitt
Stephen Mirrione – The Revenant – Der Rückkehrer
Tom McArdle – Spotlight
Maryann Brandon, Mary Jo Markey – Star Wars: Das Erwachen der Macht
Margaret Sixel – Mad Max: Fury Road
Hank Corwin – The Big Short
Bester Ton
Andy Nelson, Gary Rydstrom, Drew Kunin – Bridge of Spies
Chris Jenkins, Gregg Rudloff, Ben Osmo – Mad Max: Fury Road
Paul Massey, Mark Taylor, Mac Ruth – Der Marsianer
Jon Taylor, Frank A. Montaño, Randy Thom, Chris Duesterdiek – The Revenant – Der Rückkehrer
Andy Nelson, Christopher Scarabosio, Stuart Wilson – Star Wars: Das Erwachen der Macht
Bester Tonschnitt
Mark A. Mangini, David White – Mad Max: Fury Road
Oliver Tarney – Der Marsianer – Rettet Mark Watney
Martín Hernández, Lon Bender – The Revenant – Der Rückkehrer
Alan Robert Murray – Sicario
Matthew Wood, David Acord – Star Wars: Das Erwachen der Macht (Star Wars: The Force Awakens)
Beste visuelle Effekte
Mark Williams Ardington, Sara Bennett, Paul Norris, Andrew Whitehurst – Ex Machina
Andrew Jackson, Dan Oliver, Andy Williams, Tom Wood – Mad Max: Fury Road
Anders Langlands, Chris Lawrence, Richard Stammers, Steven Warner – Der Marsianer – Rettet Mark Watney
Richard McBride, Matt Shumway, Jason Smith, Cameron Waldbauer – The Revenant – Der Rückkehrer
Chris Corbould, Roger Guyett, Paul Kavanagh, Neal Scanlan – Star Wars: Das Erwachen der Macht
Bester Animationsfilm
Anomalisa – Charlie Kaufman, Duke Johnson, Rosa Tran
Der Junge und die Welt (O Menino e o Mundo) – Alê Abreu
Alles steht Kopf (Inside Out) – Pete Docter, Jonas Rivera
Shaun das Schaf – Der Film– Mark Burton, Richard Starzak
Erinnerungen an Marnie (Omoide no Mânî) – Hiromasa Yonebayashi, Yoshiaki Nishimura
Bester fremdsprachiger Film
Der Schamane und die Schlange (El abrazo de la serpiente) – Kolumbien – Ciro Guerra
Mustang – Frankreich – Deniz Gamze Ergüven
Saul fia – Ungarn – László Nemes Jeles
Theeb – Jordanien – Naji Abu Nowar
Krigen – Dänemark – Tobias Lindholm
Bester animierter Kurzfilm
We Can’t Live Without Cosmos – Konstantin Bronsit
World of Tomorrow – Don Hertzfeldt
Bear Story – Gabriel Osorio, Pato Escala
Sanjay’s Super Team – Sanjay Patel, Nicole Grindle
Prologue – Richard Williams, Imogen Sutton
Bester Kurzfilm
Alles wird gut – Patrick Vollrath
Ave Maria – Eric Dupont, Basil Khalil
Day One – Henry Hughes
Shok – Jamie Donoughue
Stutterer – Serena Armitage, Benjamin Cleary
Bester Dokumentarfilm
Amy – Asif Kapadia, James Gay-Rees
Cartel Land – Matthew Heineman, Tom Yellin
The Look of Silence – Joshua Oppenheimer, Signe Byrge Sørensen
What Happened, Miss Simone? – Liz Garbus, Amy Hobby, Justin Wilkes
Winter on Fire: Ukraine’s Fight for Freedom – Jewgeni Afinejewski, Den Tolmor
Bester Dokumentar-Kurzfilm
Body Team 12 – David Darg, Bryn Mooser
Chau, Beyond the Lines – Courtney Marsh, Jerry Franck
Claude Lanzmann: Spectres of the Shoah – Adam Benzine
A Girl in the River: The Price of Forgiveness – Sharmeen Obaid-Chinoy
Last Day of Freedom – Dee Hibbert-Jones, Nomi Talisman
Hi. Ich habe letzte Nacht auch ausgeharrt. Deine Zusammenfassung deckt sich so ziemlich 1 zu 1 mit dem, was ich über die Verleihung denke. Zu wenig Emotionen, dafür ein glänzender Chris Rock. Alles in allem fand ich es am Ende ein wenig zu viel der Schwarz-Weiß-Debatte. Das Thema hat die ganze Show eingenommen. Sicherlich zu recht, aber ging es nicht auch um Filme? Die Einblendung der Personen, denen gedankt wird, fand ich total daneben – erinnerte an Börsenkurse. Viel zu schnell und dann wurde in den Reden fröhlich weiter gedankt. Gefreut habe ich mich für Ennio Morricone.
Stimme auch weitestgehend mit dir überein, habe mir das Ding aber erst am Nachmittag im Pro7-Stream ohne Red Carpet und Werbeunterbrechungen gegeben. Da schaut es sich erstaunlich gut weg.
Allerdings muss ich sagen, dass ich auch Lady Gagas Auftritt furchtbar fand – ganz unabhängig vom Thema, um das es da ging. Was mich aber am meisten gestört hat, war die Ansprache der Academy-Vertreterin zum Thema „Diversity“. Fühlte sich nach typischem PR-Blabla und und war der seltsamste Moment der ganzen Veranstaltung.
Ich fand Gagas Auftritt als einzigen Musikact wirklich gut. Und ja, die Academy-Präsidentin muss halt wieder Boden gut machen nach der ganzen Debatte. Mehr als versprechen kann sie doch auch nicht.
Natürlich müssen die sich dazu äußern, aber es fühlte sich nicht echt, sondern (mal wieder) nur nach hohlen Phrasen an. Dazu noch der brave Beifall aller im Saal. Das hätte man meiner Meinung nach definitiv anders präsentieren können.